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WLAN statt Kamera: Forscher entwickeln neue Überwachungsmethode – ohne Zustimmung, ohne Sichtkontakt

28. Juli 2025

Ein Forschungsteam der Universität La Sapienza in Rom hat eine Technologie vorgestellt, die zugleich als wissenschaftlicher Meilenstein und als ethischer Zündstoff gilt. Sie ermöglicht es, Menschen allein anhand der Störungen eines WLAN-Signals zu identifizieren – ganz ohne Kameras oder aktive Beteiligung der Betroffenen.

Was auf den ersten Blick nach Science-Fiction klingt, basiert auf einem realen Prinzip: Jeder menschliche Körper beeinflusst elektromagnetische Wellen auf individuelle Weise. Diese durch Körperform, Größe und Bewegung verursachten Veränderungen im WLAN-Signalmuster – insbesondere in den sogenannten Kanalzustandsinformationen (CSI) – wirken wie ein unsichtbarer Fingerabdruck.

Im Gegensatz zu herkömmlicher Biometrie, wie Gesichtserkennung oder Fingerabdruckscanner, erfordert diese Methode keine optische Erfassung und nicht einmal die physische Anwesenheit der Person im Sichtfeld. Die Forscher analysierten die Signalstörungen mithilfe eines tiefen, transformatorbasierten neuronalen Netzwerks, das auf den NTU-Fi-Datensatz trainiert wurde – einem Standardmodell zur Erkennung menschlicher Präsenz per WLAN. Das Ergebnis: Eine Identifikationsgenauigkeit von bis zu 95,5 Prozent – auch über Raumgrenzen hinweg.

Die Konsequenz: Überall dort, wo WLAN verfügbar ist, könnte dieses System potenziell eingesetzt werden – in Wohnungen, Büros, öffentlichen Gebäuden. Und das ohne sichtbare Überwachungstechnik oder informierte Zustimmung.

Datenschützer und Ethikexperten schlagen bereits Alarm. Die Technologie wirft grundlegende Fragen auf – etwa, wie viel Unsichtbarkeit Überwachung künftig haben darf und wo die Grenze zwischen Innovation und Privatsphäre verläuft.

Im Bericht heben Forscher die Bedeutung der sogenannten Personenwiedererkennung (Re-ID) für moderne Überwachungssysteme hervor. Ziel dieser Technologie ist es, zu erkennen, ob zwei verschiedene Aufnahmen zu ein und derselben Person gehören – auch wenn diese zu unterschiedlichen Zeiten oder an unterschiedlichen Orten entstanden sind.

Bislang basieren Re-ID-Systeme überwiegend auf visuellen Daten wie Bildern oder Videos. Dabei werden charakteristische biometrische Merkmale – etwa Kleidung, Farbe oder Körperform – extrahiert und mit bereits gespeicherten Beispielen verglichen. Visuelle Systeme sind jedoch anfällig für äußere Einflüsse: Veränderungen der Lichtverhältnisse, verdeckte Sicht, unübersichtliche Hintergründe oder wechselnde Kameraperspektiven beeinträchtigen häufig ihre Zuverlässigkeit – vor allem in realen, unkontrollierten Umgebungen.

Als mögliche Alternative rückt nun ein Ansatz in den Fokus, der ganz ohne Kamera auskommt: die Re-ID über WLAN. Diese Methode nutzt die Tatsache, dass sich die Ausbreitung von Wi-Fi-Signalen durch physikalische Gegebenheiten wie Wände, Objekte oder eben Menschen verändert. Die dabei erfassten sogenannten „Channel State Information“ (CSI) enthalten feingranulare biometrische Informationen – weit über das hinaus, was optische Systeme liefern können.

Denn im Gegensatz zu Kameras, die lediglich die äußere Erscheinung erfassen, interagieren Funksignale auch mit inneren Strukturen wie Knochen, Organen und der Körperzusammensetzung. Das erzeugt einzigartige Signalverzerrungen, die als individuelle Signatur dienen können.

Frühere Ansätze setzten auf grobe Messgrößen wie den Received Signal Strength Indicator (RSSI), der für präzise Erkennungsaufgaben allerdings zu ungenau war. Inzwischen hat sich CSI als deutlich leistungsfähiger erwiesen. Es ermöglicht Messungen auf Subträger-Ebene über verschiedene Frequenzen und Antennen hinweg – und damit eine zeitlich hochauflösende Analyse der Signalveränderungen durch menschliche Präsenz.

Anhand dieser CSI-Sequenzen lassen sich charakteristische Muster erkennen und zur Identifikation nutzen. Dennoch steht das Forschungsfeld der Wi-Fi-basierten Re-ID noch am Anfang. Vor allem fehlen bisher skalierbare Deep-Learning-Modelle, die sich flexibel auf verschiedene Personen und Umgebungen übertragen lassen.

Mit dem System „WhoFi“ präsentieren die Forscher nun eine reine CSI-basierte Deep-Learning-Pipeline für die Personenwiedererkennung. Trainiert wurde das Modell mit einem In-Batch-Negativverlust, um robuste Signatur-Einbettungen zu lernen. In der Modellierung von Sequenzen wurden unterschiedliche Architekturen getestet – darunter LSTM, Bi-LSTM und Transformer –, um zeitliche Zusammenhänge und Kontextinformationen möglichst genau zu erfassen.

Personenwiedererkennung anhand visueller Daten

Im Bereich der Bildverarbeitung ist die Personenwiedererkennung seit langem von großer Bedeutung. Frühere Methoden stützten sich in erster Linie auf RGB-Bilder oder Videos, um Personen über Kameraansichten hinweg zu verfolgen. Handgefertigte Deskriptoren wie Local Binary Patterns (LBP), Farbhistogramme und Histograms of Oriented Gradients (HOG) wurden häufig verwendet, um visuelle Merkmale auf niedriger Ebene wie Textur und Silhouette zu erfassen. Mit dem Aufkommen des Deep Learning wurden Convolutional Neural Networks (CNNs) zum dominierenden Ansatz, der hierarchisches räumliches Feature-Lernen ermöglicht. Trainingsstrategien wie Triplet Loss, Cross-Entropy mit Label Smoothing und Center Loss wurden eingesetzt, um die Trennbarkeit des Einbettungsraums zu optimieren. Neuere Modelle integrieren häufig Aufmerksamkeitsmechanismen und teilbasierte Darstellungen, um Fehlausrichtungen und Verdeckungen zu behandeln. Trotz ihrer starken Benchmark-Leistung sind diese Systeme stark auf hochwertige visuelle Eingaben und sorgfältige manuelle Feinabstimmung angewiesen, was ihre Anwendbarkeit in unkontrollierten Umgebungen einschränkt.

Personenidentifizierung und Re-ID über Wi-Fi-Sensing

„In mehreren Arbeiten wurde die Identifizierung und Authentifizierung von Personen über Wi-Fi-CSI unter Berücksichtigung von Merkmalen wie Amplituden-, Phasen- und Heatmap-Variationen umfassend untersucht. Zu den frühen Methoden gehören die Modellierung von Sichtlinienwellenformen in Kombination mit PCA oder DWT zur Klassifizierung oder die Identifizierung anhand des Gangbildes durch handgefertigte Merkmale. CAUTION  führte einen Datensatz und einen Few-Shot-Lernansatz für die Benutzererkennung über heruntergesampelte CSI-Darstellungen ein. Neuere Methoden nutzen Deep-Learning-Modelle, um die Generalisierungsfähigkeiten zu verbessern. Ein neuer Ansatz schlug eine Dual-Branch-Architektur vor, die die CNN-basierte Verarbeitung von aus Amplituden abgeleiteten Heatmaps mit der LSTM-basierten Modellierung von Phaseninformationen für die Re-Identifizierung kombiniert. Die Verwendung privater Datensätze in solchen Arbeiten schränkt jedoch die Reproduzierbarkeit ein und erschwert einen direkten Vergleich. Im Gegensatz dazu stützt sich unsere Studie auf einen weit verbreiteten öffentlichen Benchmark, der Reproduzierbarkeit und eine faire Bewertung über verschiedene Architekturen hinweg ermöglicht“, so die Forscher.

Fazit der Studie: WLAN-Signale als neue Grundlage für Personenidentifikation

Die Forscher präsentieren in ihrer Arbeit eine neuartige Methode zur Personenwiedererkennung, die ausschließlich auf WLAN-Signalen basiert. Mithilfe eines Deep-Learning-Modells werden aus den sogenannten Channel State Information (CSI) biometrische Signaturen extrahiert. Diese werden anschließend mit bekannten Referenzdaten abgeglichen, um Personen zuverlässig zu identifizieren.

Im Test kamen drei verschiedene Modellarchitekturen zum Einsatz – LSTM, Bi-LSTM und Transformer. Dabei erzielte das auf Transformer basierende Modell die besten Ergebnisse im Vergleich. Alle Tests wurden mit dem öffentlich verfügbaren NTU-Fi-Datensatz durchgeführt, wodurch die Methode reproduzierbar bleibt und als fundierte Grundlage für künftige Forschungsvorhaben dient.

Die Resultate zeigen: WLAN-Signale bieten eine vielversprechende, robuste und zugleich datenschutzfreundliche Alternative zur herkömmlichen biometrischen Erfassung. Damit leistet die Studie einen wichtigen Beitrag zur Weiterentwicklung signalbasierter Re-ID-Technologien.

Quelle: Department of Computer Science, La Sapienza University of Rome

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