
Künstliche Intelligenz ist im deutschen Unternehmensalltag angekommen: Laut einer aktuellen Bitkom-Studie ist sie inzwischen in jedem dritten Betrieb im Einsatz. 8 von 10 Unternehmen sehen KI als wichtigste Zukunftstechnologie. Diese Erkenntnisse decken sich mit einer Erhebung der Amerikanischen Wharton School, die zum ROI der Technologie forscht. Hier berichteten drei von vier Entscheidern bereits von positiven Effekten, etwa durch gesteigerte Produktivität, höhere Qualität oder durch einen konkret messbaren Gewinnzuwachs. Entscheidend ist dabei: KI hat das Potential, nicht nur einzelne Anwendungen zu verändern, sondern die grundlegende Logik digitaler Infrastrukturen. Cloud-Architekturen, IT-Sicherheitsmodelle und Geschäftslogiken, die über Jahre auf Zentralisierung, Skaleneffekte und Lizenzmodelle ausgelegt waren, geraten zunehmend unter Druck. Denn Unternehmen stehen vor der Herausforderung, die Technologie skalierbar einzusetzen, ohne dabei Resilienz, Kontrolle und IT-Sicherheit zu verlieren. Es folgen drei zentrale Entwicklungen, die diese Verschiebung konkretisieren und zeigen, wie sich IT-Architekturen, Wertschöpfungsmodelle und Cyber-Sicherheitsstrategien im Zuge der KI-Adoption in 2026 neu ausrichten.
Mono-Cloud war gestern: Resilienz schlägt Kostenfokus
Das klassische SaaS-Modell mit festen Funktionspaketen und zentralen Datensilos, nähert sich seinem Ende. Gefragt sind heute KI-native, kontextbezogene Echtzeit-Services. Unternehmen verteilen Workloads bewusster über Cloud, Edge und lokale Umgebungen, um Abhängigkeiten zu reduzieren. 2026 wird Resilienz zur Leitwährung: domänen-optimierte Modelle rücken näher an Daten und Prozesse, sensible Informationen bleiben kontrolliert und standortnah. SaaS verschwindet nicht – doch seine Vormachtstellung schwindet, die Architektur wird hybrider, dezentraler und stärker auf Ausfallsicherheit optimiert, während KI-Agenten zur wichtigsten Schnittstelle für Unternehmens-Workflows werden.
Von Lizenzen zu Ergebnissen: “AI-as-a-Service” definiert Wert neu
Im klassischen SaaS-Modell zahlen Unternehmen pro Mitarbeiter („Seats“) eine monatliche Gebühr für ein fest definiertes Funktionspaket – bei zentraler Datenhaltung in einem Silo. Dieses Prinzip gerät zunehmend unter Druck. 2026 dürfte sich der Schwerpunkt deutlich in Richtung AI-as-a-Service verschieben. Gefragt sind dann intelligente, in Echtzeit arbeitende und passgenau zugeschnittene Lösungen, die in Echtzeit liefern. Bezahlt wird nicht mehr primär für das Nutzungsrecht an einer Software, sondern für Intelligenz und Outcome, beziehungsweise Erkenntnisse, die KI liefert. Konkret also: gelöste Fälle, erkannte Risiken, automatisierte Abläufe. Dieser Schritt rückt intelligente KI-Assistenten und -Agenten in den Mittelpunkt und erfordert, dass sensible Daten und möglichst standortnah verarbeitet und gespeichert werden. KI-Agenten werden zur zentralen Schnittstelle für Unternehmensabläufe.
Industrielle KI wird Mainstream – OT im Wandel, IoT-Konnektivität und Zero Trust
Man kann ältere Fabriken und Kraftwerke (Operational Technology, OT) mit einer Alarmanlage vergleichen: Sie schlägt erst dann an, wenn bereits etwas schiefgelaufen ist. 2026 wird die industrielle KI dieses Prinzip drehen. KI-Modelle steuern Prozesse kontinuierlich, synchronisieren Maschinen und optimieren Systeme in Echtzeit: sie “überwachen” nicht nur, sie treiben den Betrieb aktiv an. Diese neue Automatisierungstiefe erhöht jedoch die Anforderungen an IT-Sicherheit massiv. Da sich nicht auf jedem Roboter oder Sensor Sicherheitssoftware installieren lässt, muss Schutz „unsichtbar“ und infrastrukturseitig umgesetzt werden. Die Folge: ein starker Wandel hin zu „Agentless Zero Trust“, bei dem jede Maschineninteraktion automatisch verifiziert wird – und das Netzwerk selbst zur Sicherheitsinstanz für automatisierte Geräte wird.
Die nächste Eskalationsstufe: KI als Treiber moderner Cyberangriffe
Im neuen Jahr wird KI sich voraussichtlich vom bloßen „Helfer“ für Cyberkriminelle zu einem autonomen Verstärker entwickeln – und damit die Mechanik moderner IT-Sicherheitsangriffe grundlegend verändern. Das letzte Jahr zeigte bereits, wie stark KI klassische kriminelle Aktivitäten befeuert: von Social Engineering über Deepfakes bis hin zur Kompromittierung von Geschäftsemails. Auch das bleibt ein zentrales Fundament für Bedrohungsakteure – doch 2026 dürfte zum Jahr echter KI-getriebener Attacken werden. Angreifer werden vermehrt dazu übergehen, schädliche Kampagnen per „Vibe Coding“ aufzusetzen, was Tempo und Umsetzung nochmals deutlich beschleunigt. Gleichzeitig nutzen sie KI zunehmend als Trainer, um noch schneller Wissen zu sammeln. Konkret können sie mithilfe der Technologie den Prozess des “Auskundschaftens” optimieren – sprich: kritische Informationen über ihre Ziele sammeln und spezialisierte Tools für Scans und Exploits entwickeln. Diese Synergie zwischen Kriminellen und KI verkürzt deren Lernkurven spürbar und hebt den automatisierten Aufbau von Hyperscale-Cyberangriffen auf ein neues Level.
Fazit
Die zunehmende Verbreitung von Künstlicher Intelligenz markiert keinen weiteren Technologieschritt, sondern einen strukturellen Wendepunkt. KI verändert, wie Unternehmen IT-Infrastrukturen entwerfen, wie sie IT-Sicherheit denken und wie digitale Wertschöpfung organisiert wird. Bis 2026 wird deutlich: Zentralisierung, starre Lizenzmodelle und reaktive Sicherheitsansätze stoßen an ihre Grenzen, sobald KI vom Analysewerkzeug zum operativen Motor wird.
Ein Statement von Stefan Henke, RVP DACH bei Cloudflare
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