
Ein aktueller Bericht der Datenschutzorganisation noyb wirft einen kritischen Blick auf sogenannte „Pay or Okay“-Modelle, die sich zunehmend in Europa verbreiten. Was einst auf journalistischen Plattformen begann, hat mittlerweile auch Tech-Gigant Meta für Dienste wie Instagram und Facebook übernommen.
Das Prinzip: Nutzer müssen entweder personalisierte Werbung akzeptieren oder für den Datenschutz zahlen. Eine echte Wahlfreiheit sieht anders aus – das zeigen Zustimmungsraten von bis zu 99,9 Prozent, die noyb als „nordkoreanisch“ bezeichnet.
Befürworter, vor allem aus der Medienbranche, argumentieren, das Modell sei notwendig, um hochwertigen Journalismus zu finanzieren. Doch laut dem Bericht steuert digitale Werbung im Schnitt nur etwa zehn Prozent zum Gesamtumsatz klassischer Medienhäuser bei – ein deutlich geringerer Anteil, als oft suggeriert wird.
Angesichts der erwarteten Leitlinien des Europäischen Datenschutzausschusses (EDSA) analysiert noyb die wirtschaftlichen Hintergründe und rechtlichen Schwächen des Modells – und stellt die Frage: Zahlen wir bald alle für unsere Grundrechte?
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Erst Zeitungen, dann Meta. Im November 2023 hat Meta ein kostenpflichtiges Abonnement für Instagram- und Facebook-Nutzer eingeführt, die nicht getrackt werden wollen. Damit reagierte das Unternehmen auf ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) vom Juli 2023, das Metas Umgang mit Nutzern für illegal erklärte. Anstatt die Betroffenen um ihre Einwilligung zu bitten, zwingt das Unternehmen sie nun zur Zahlung einer Gebühr, wenn sie nicht getrackt werden wollen. Der Social-Media-Konzern hat sich das System aber nicht selbst ausgedacht. „Pay or Okay“ wurde einst von Nachrichtenseiten eingeführt, die ihre Einwilligungsraten steigern wollten.
Felix Mikolasch, Datenschutzjurist bei noyb: „‚Pay or Okay‘ hat sich in den letzten Jahren in der ganzen EU verbreitet und ist mittlerweile auf Hunderten von Websites zu finden. Die Datenschutzbehörden haben aber immernoch keinen einheitlichen, EU-weiten Ansatz für den Umgang mit diesen Systemen gefunden. Sie hätten sich schon längst einigen müssen.“
Falsches wirtschaftliches Narrativ. Die Befürworter von „Pay or Okay“ berufen sich weitgehend auf die angebliche wirtschaftliche Notwendigkeit zur Finanzierung von Qualitätsmedien. Sie behaupten, dass die angeschlagenen Nachrichtenmedien mit Einnahmen aus personalisierter Werbung gerettet werden können. In Wirklichkeit macht digitale Werbung nur etwa 10 % der Einnahmen der Presse aus. Personalisierte Werbung macht sogar noch weniger aus: Nur etwa 5 % der Einnahmen von Zeitungen und Zeitschriften stammen aus der Verarbeitung persönlicher Daten zu Werbezwecken.
Überhöhte Kosten. Die meisten Unternehmen argumentieren, dass „Pay or Okay“ eine gewisse wirtschaftlichen Fairness ermögliche. Die Kosten für die Bezahloption sind im Vergleich zu den Werbeeinnahmen jedoch enorm. Wissenschaftliche Untersuchungen zeigen, dass Verlage mit Tracking lediglich 0,24 € pro Nutzer:in und Monat verdienen. Die Bezahloption bringt satte 3,24 € pro Nutzer und Monat ein. Dieselbe Untersuchung zeigt, dass „Pay or Okay“ die „Cookie-Banner-bezogenen Einnahmen“ um 16,4 % erhöht. Angesichts der Tatsache, dass im Durchschnitt nur 5 % der Presseeinnahmen aus programmatischer Werbung stammen, würde „Pay or Okay“ die Gesamteinnahmen der Presse im Durchschnitt nur um 0,82 % erhöhen. Ein solch geringer Anstieg der Einnahmen wird die Nachrichtenbranche sicherlich nicht vor dem wirtschaftlichen Niedergang bewahren. Er wird aber mit Sicherheit das Konzept der freiwilligen Einwilligung gemäß DSGVO in Europa zunichte machen.
Unrealistische Einwilligungsraten. Die DSGVO stellt klar, dass die Einwilligung von Nutzern „freiwillig“ erfolgen, um als gültig zu gelten. Wenn Systeme Zustimmungsraten erzeugen, die nicht den wahren Wünschen der Betroffenen entsprechen, gelten sie daher als manipulativ. Branchenpapiere zeigen jedoch, dass „Pay or Okay“-Systeme durchweg Einwilligungsraten von 99 % bis 99,9 % liefern. Laut Studien wollen aber nur 0,16 % bis 7 % der Menschen getrackt werden oder ihre Daten für personalisierte Werbung verwenden. Diese Diskrepanz von mehr als 90 % macht deutlich, dass „Pay or Okay“ keine „freiwillige“ Einwilligung zulässt. Der wahre Grund für die Einführung eines solchen Systems besteht darin, die Einwilligungsrate weit über jede realistische „echte oder freie Wahl“ der Betroffenen zu erhöhen.
Grafiken / Quelle: noyb
Felix Mikolasch, Datenschutzjurist bei noyb: „Derzeit werden Nutzer unrechtmäßig dazu gedrängt, ihre ‚Einwilligung‘ zum Tracking zu geben. Der EDSA hat nun die Möglichkeit, in seinen kommenden Leitlinien eine klare Position zu diesem Thema zu beziehen.“
noyb ist eine spendenfinanzierte NGO mit Sitz in Wien, Österreich, die sich für die Durchsetzung von Datenschutzgesetzen – mit Fokus auf die DSGVO und die ePrivacy-Richtlinie – einsetzt. Unser Team aus 20 Rechts- und IT-Experten aus ganz Europa arbeitet daran, dass Unternehmen das Recht auf Privatsphäre wahren.
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