
Internetpiraterie ist ein weltweites Phänomen, doch nur wenige Länder werden so stark mit dieser Thematik assoziiert wie Schweden. Dieser Ruf gründet sich vor allem auf die Plattform The Pirate Bay – eine berüchtigte Drehscheibe für den illegalen Austausch von Filmen und anderen Medieninhalten. Gegründet im Jahr 2003 in Schweden, geriet die Website rasch ins Visier der internationalen Unterhaltungsbranche. Die Gründer, einst im eigenen Land wie Popstars gefeiert, wurden inzwischen verurteilt und inhaftiert. Gleichzeitig wird der Zugang zur Seite in immer mehr Ländern blockiert – zuletzt auch in Russland.
Trotz aller juristischen und technischen Hürden zeigt sich The Pirate Bay unbeeindruckt. Die Seite operiert weiter unter zahlreichen Spiegel- und Alternativdomains und präsentiert sich neuerdings mit einem Logo in Form einer mehrköpfigen Hydra – ein klares Symbol für ihre Widerstandsfähigkeit. Jeder Kopf trägt eine andere Domain-Endung und steht sinnbildlich für die kaum zu stoppende Natur des Projekts.
Doch weshalb ist gerade Schweden so stark von Online-Piraterie betroffen? Ein aktueller Bericht zeigt das Ausmaß: Im vergangenen Jahr wurden dort rund 280 Millionen Filme oder Serien illegal konsumiert – per Streaming oder Download. Der dadurch entstandene wirtschaftliche Schaden wird auf etwa 100 Millionen US-Dollar geschätzt, was rund einem Viertel des Gesamtwerts der schwedischen Film- und Fernsehbranche entspricht.
Veröffentlicht wurde der Bericht vom Kooperationsausschuss der schwedischen Film- und Fernsehindustrie – einer Interessengruppe der nationalen Unterhaltungswirtschaft. Eine begleitende Umfrage offenbart, dass fast ein Drittel der schwedischen Bevölkerung regelmäßig Raubkopien nutzt. Besonders auffällig ist der Anteil bei jungen Erwachsenen: In der Altersgruppe der 16- bis 29-Jährigen konsumieren sogar zwei Drittel regelmäßig illegal Inhalte. Interessanterweise gibt ein erheblicher Teil der Nutzer (42 Prozent) an, das illegale Streamen oder Herunterladen zwar für moralisch falsch zu halten – es dennoch zu tun.
Laut Per Stromback, einem Autor, der für den Ausschuss den digitalen Handel untersucht, unterscheidet sich Schweden nicht wesentlich von anderen Ländern in Bezug auf den Konsum raubkopierter Inhalte im Inland – dieser ist im Vergleich zu Ländern wie China oder den USA eher gering. Auffällig sei jedoch, dass Schweden zu einer der größten globalen Quellen für solche Inhalte geworden ist.
„Wir verursachen Probleme für andere Länder“, sagt Per Stromback, Autor und Berater für digitalen Handel beim schwedischen Parlamentsausschuss. „Wir verhalten uns fast wie ein Staat, der übermäßig viele fossile Brennstoffe verbrennt und damit die globale Atmosphäre belastet.“ Ein deutlicher Vergleich – gemeint ist damit Schwedens Rolle als bedeutender Ursprung raubkopierter digitaler Inhalte weltweit.
Zwar habe der Konsum illegaler Inhalte im Land selbst vergleichsweise geringe Ausmaße – vor allem im Vergleich zu Ländern wie China oder den USA – doch gerade die frühe und umfangreiche Investition in den Breitbandausbau in den 1990er Jahren habe dazu beigetragen, dass Schweden zur Drehscheibe für digitale Piraterie wurde. „Diese Infrastruktur verschaffte ambitionierten Piraten die nötige Bandbreite für ihre Taten“, so Stromback. Dass ausgerechnet Schweden zu einem „Zufluchtsort für Piraten“ wurde, bezeichnet er als ironisch.
Denn eigentlich gelte das skandinavische Land als Paradebeispiel für Gesetzestreue. „In internationalen Rankings liegen wir regelmäßig vorn, wenn es um Vertrauen in Institutionen geht“, betont Stromback. Doch er erkennt auch eine gegensätzliche Strömung im schwedischen Selbstverständnis: eine antiautoritäre Ader. „Man muss sich nur den Umgang mit dem Schwarzgebrannten anschauen. Obwohl der Alkoholverkauf streng reguliert ist, hat sich besonders auf dem Land eine regelrechte Tradition des illegalen Brennens etabliert.“
So ernst die Lage in Bezug auf digitale Piraterie auch sei – Stromback spricht in diesem Zusammenhang von einem „nicht tragbaren“ Zustand –, sieht er gleichzeitig Hoffnung in einem digitalen Exportschlager aus Schweden: Spotify. Der Streamingdienst mit seinem umfassenden Musikangebot und flexiblen Bezahlmodellen habe einen spürbaren Rückgang der Musikpiraterie bewirkt. Warum das funktioniert, erklärte Fredrik Ekander, Chef der schwedischen Cosmos Music Group, kürzlich in einem Interview: Nutzer seien durchaus bereit zu zahlen – wenn das Angebot stimme.
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