Share
Beitragsbild zu Quantenresistente Kryptografie: Die Sicherheit digitaler Daten im Zeitalter der Quantentechnologie

Quantenresistente Kryptografie: Die Sicherheit digitaler Daten im Zeitalter der Quantentechnologie

Die rasante Entwicklung der Quantentechnologie stellt die Cybersicherheit vor neue Herausforderungen. Insbesondere die Fortschritte bei Quantencomputern bedrohen etablierte kryptografische Verfahren, die bisher als sicher galten. Um sensible Daten auch in Zukunft zu schützen, gewinnt die Entwicklung quantenresistenter Kryptografie zunehmend an Bedeutung.

Die Bedrohung durch Quantencomputer für die moderne Kryptografie ist real, wird aber oft missverstanden. Es geht nicht darum, dass Quantencomputer klassische Computer in Geschwindigkeit übertreffen, sondern dass sie bestimmte mathematische Probleme, auf denen die Sicherheit vieler kryptografischer Systeme beruht, effizient lösen können. Dies betrifft insbesondere weit verbreitete Verfahren wie RSA und elliptische Kurven.

Warum vorausschauendes Handeln notwendig ist

Ein kritischer Aspekt ist, dass Angreifer schon heute verschlüsselte Daten abfangen und speichern können, um sie zu entschlüsseln, sobald leistungsfähige Quantencomputertechnologie zur Verfügung steht. Dies ist besonders problematisch für Informationen, die über Jahrzehnte hinweg vertraulich bleiben müssen, wie etwa medizinische Daten, Industriegeheimnisse oder diplomatische Kommunikation.

Die Umstellung auf quantenresistente Kryptografie ist ein komplexer und zeitaufwändiger Prozess. Es geht nicht nur darum, neue Algorithmen zu entwickeln, sondern auch darum, diese in bestehende Systeme zu integrieren, Standards zu etablieren und die Industrie auf den Wechsel vorzubereiten. Unternehmen sollten daher schon jetzt beginnen, ihre Systeme zu analysieren und Migrationspläne zu entwickeln, um nicht von der technologischen Entwicklung überrascht zu werden.

Neue Algorithmen revolutionieren die Forschung

Nach drei Jahrzehnten relativer Stagnation erlebt die Forschung an quantenresistenter Kryptografie derzeit einen Aufschwung. Den Anstoß gab der renommierte Kryptograf Oded Regev mit der Entwicklung eines neuartigen Algorithmus. Dieser verbessert die Effizienz von Angriffen auf weitverbreitete kryptografische Schemata in modernen digitalen Infrastrukturen.

Regevs Algorithmus optimiert die Laufzeitkosten und Ressourcenanforderungen für die Faktorisierung großer Zahlen. Konkret reduziert er den Quantum Gate Count für die Faktorisierung einer n-Bit-Ganzzahl von O(n^2 log(n)) auf O(n^(3/2) log(n)). Allerdings erhöht sich dabei der Qubit-Bedarf von O(n) auf O(n^(3/2)) im Vergleich zum bekannten Shor-Algorithmus.

Kurz darauf stellten die MIT-Forscher Seyoon Ragavan und Vinod Vaikuntanathan im Oktober 2023 eine weitere Verbesserung vor. Ihr Ansatz senkt den Qubit-Bedarf auf O(n log(n)), was die praktische Umsetzbarkeit erhöht. Einen Monat später demonstrierten die Kryptografen Martin Ekerå und Joel Gärtner, wie sich der neue Algorithmus auch auf diskrete Logarithmen in endlichen Feldern anwenden lässt – ein weiteres kryptografisch hochrelevantes Problem.

Diese Fortschritte bei Quantenalgorithmen könnten die Schwelle für erfolgreiche Angriffe mit Quantencomputern deutlich senken. Allerdings ist zu beachten, dass die Verbesserungen bisher nur asymptotisch, also für sehr große Probleminstanzen, nachgewiesen wurden. Für praxisrelevante Größenordnungen in der Kryptografie bleibt der Shor-Algorithmus vorerst effizienter. Dennoch eröffnen die neuen Erkenntnisse vielversprechende Forschungsansätze, die in den kommenden Jahren zu weiteren Durchbrüchen führen könnten.

Bedrohung für etablierte Verschlüsselungsverfahren

Das Potenzial von Quantencomputern, weitverbreitete Verschlüsselungsalgorithmen wie RSA und elliptische Kurven zu brechen, stellt eine ernsthafte Bedrohung für die Cybersicherheit dar. Diese Algorithmen basieren auf mathematischen Problemen, die nach allgemeiner Auffassung für klassische Computer praktisch unlösbar wären. Quantencomputer könnten sie jedoch durch die effiziente Lösung dieser Probleme obsolet machen.

Die Konsequenzen wären weitreichend: Sensible Daten, verschlüsselte Kommunikation und digitale Signaturen wären nicht mehr sicher. Besonders kritisch ist, dass ein leistungsfähiger Quantencomputer auch historisch verschlüsselte Daten entschlüsseln könnte.

Internationale Initiativen zur Bedrohungsminderung sind zwar in Planung, ihre Wirksamkeit hängt jedoch davon ab, wie schnell leistungsfähige Quantencomputer Realität werden. Die jüngsten algorithmischen Fortschritte deuten darauf hin, dass sich das Zeitfenster für die Migration zu quantensicheren kryptografischen Alternativen möglicherweise schneller schließt als erwartet.

Quantenresistente Kryptografie als Lösungsansatz

Um den Herausforderungen der Quantenära zu begegnen, konzentriert sich die Forschung auf die Entwicklung quantenresistenter kryptografischer Verfahren. Diese basieren auf mathematischen Problemen, die selbst für Quantencomputer als schwer lösbar gelten.

Zu den vielversprechendsten Ansätzen zählen:

  • Gitterbasierte Kryptografie: Basiert auf der Komplexität der Lösung von Such- oder Approximationsproblemen in hochdimensionalen Gittern.
  • Multivariate Kryptografie: Basiert auf der Schwierigkeit, Systeme nichtlinearer Gleichungen zu lösen.
  • Hash-basierte Signaturen: Verwenden kryptografische Hashfunktionen für digitale Signaturen.
  • Code-basierte Kryptografie: Basiert auf der Komplexität des Decodierens bestimmter Fehlerkorrekturcodes.
  • Isogenie-basierte Kryptografie: Basiert auf komplexen mathematischen Strukturen von elliptischen Kurven.
Herausforderungen der post-quantum Kryptografie

Diese Ansätze bieten potenzielle Alternativen zu den gefährdeten klassischen Verfahren. Allerdings stehen Forscher und Entwickler noch vor erheblichen Herausforderungen.

Zum einen fehlen einheitliche, international anerkannte Standards für quantenresistente Algorithmen. Das National Institute of Standards and Technology (NIST) in den USA arbeitet an der Evaluierung und Standardisierung entsprechender Verfahren, um eine breite Akzeptanz und Implementierung zu ermöglichen. Darüber hinaus benötigen viele Post-Quantum-Algorithmen deutlich mehr Rechenleistung oder größere Schlüssellängen als klassische Verfahren. Die effiziente Implementierung auf bestehenden Systemen ist daher eine zentrale Herausforderung. Außerdem erfordert die relative Neuheit quantenresistenter Algorithmen umfassende Sicherheitsanalysen, um potenzielle Schwachstellen zu identifizieren und das Vertrauen in diese Verfahren zu stärken.

Neben den grundlegenden Algorithmen müssen auch komplexe kryptografische Protokolle für verschiedene Anwendungsfälle entwickelt und auf ihre Quantenresistenz geprüft werden. Für eine Übergangsphase werden hybride Systeme diskutiert, die klassische und quantenresistente Verfahren kombinieren, um sowohl gegen klassische als auch gegen Quantenangriffe geschützt zu sein.

Handlungsbedarf für Unternehmen und Organisationen

Angesichts der potenziellen Bedrohung durch Quantencomputer und der Komplexität der Umstellung auf quantenresistente Kryptografie besteht für Unternehmen und Organisationen dringender Handlungsbedarf:

  • Bestandsaufnahme: Identifizierung aller Systeme und Daten, die durch quantenbasierte Angriffe gefährdet sein könnten.
  • Risikobewertung: Analyse der potenziellen Auswirkungen eines Quantenangriffs auf kritische Geschäftsprozesse und sensible Daten.
  • Planung der Migration: Entwicklung einer Strategie für den schrittweisen Übergang zu quantenresistenten Verfahren, sobald standardisierte Lösungen verfügbar sind.
  • Kompetenzaufbau: Schulung von IT-Sicherheitsexperten in quantenresistenter Kryptografie und deren Implementierung.
  • Technologiebeobachtung: Kontinuierliche Verfolgung der Fortschritte sowohl in der Quantencomputer-Entwicklung als auch bei quantenresistenten Verfahren.
  • Zusammenarbeit: Beteiligung an Brancheninitiativen und Forschungsprojekten zur gemeinsamen Bewältigung der Herausforderungen.
  • Kryptografische Agilität: Implementierung flexibler Sicherheitsarchitekturen, die einen schnellen Wechsel zwischen verschiedenen kryptografischen Algorithmen ermöglichen.
Ausblick

Die Entwicklung quantenresistenter Kryptografie ist ein entscheidender Schritt zur Gewährleistung der Datensicherheit im Zeitalter der Quantentechnologie. Trotz der jüngsten Fortschritte bei Quantenalgorithmen bleibt ein Zeitfenster für die Vorbereitung und Umstellung auf neue Verfahren.

Die Herausforderung besteht darin, dieses Zeitfenster effektiv zu nutzen. Unternehmen, Forschungseinrichtungen und Standardisierungsgremien müssen eng zusammenarbeiten, um robuste und praxistaugliche Lösungen zu entwickeln. Gleichzeitig ist es wichtig, flexibel auf neue Erkenntnisse und technologische Durchbrüche reagieren zu können.

Die Sicherheit digitaler Infrastrukturen in der Quantenära erfordert einen proaktiven und ganzheitlichen Ansatz. Nur durch frühzeitiges Handeln und kontinuierliche Innovation kann die Integrität und Vertraulichkeit sensibler Daten auch in Zukunft gewährleistet werden.

Autor: Tommaso Gagliardoni, Principal Cryptographer bei Kudelski Security

 

Bild/Quelle: https://depositphotos.com/de/home.html

Bleiben Sie informiert!

  • Newsletter jeden 2. Dienstag im Monat
  • Inhalt: Webinare, Studien, Whitepaper
Dieses Feld dient zur Validierung und sollte nicht verändert werden.

Klicken Sie auf den unteren Button, um den Inhalt von Google reCAPTCHA zu laden.

Inhalt laden

Bleiben Sie informiert!

  • Newsletter jeden 2. Dienstag im Monat
  • Inhalt: Webinare, Studien, Whitepaper
Dieses Feld dient zur Validierung und sollte nicht verändert werden.

Klicken Sie auf den unteren Button, um den Inhalt von Google reCAPTCHA zu laden.

Inhalt laden