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Künstliche Intelligenz ist viel mehr als nur Chatbots – Hier gibt’s den Überblick

In den letzten Jahren hat die Künstliche Intelligenz (KI) eine beeindruckende Entwicklung durchlaufen und ist innerhalb kürzester Zeit zu einem integralen Bestandteil unseres täglichen Lebens geworden. Von Sprachassistenten in unseren Smartphones bis hin zu komplexen Analysetools in der Wirtschaft – KI ist allgegenwärtig. Doch was genau versteht man unter KI, welche Arten gibt es, und vor allem: Welche Chancen und Risiken birgt diese Technologie für die Allgemeinheit? Dieser Artikel beleuchtet die verschiedenen Facetten der KI und ihre potenziellen Auswirkungen auf unsere Gesellschaft.

Was ist was, und wie werden die verschiedenen KI-Modelle „trainiert“?

Um die Tragweite der KI-Technologie zu verstehen, ist es wichtig, zwischen verschiedenen Arten von KI zu unterscheiden:

  1. Schwache KI: Diese Form der KI ist darauf ausgelegt, spezifische Aufgaben zu erfüllen. Ein klassisches Beispiel hierfür sind Sprachassistenten wie Siri oder Alexa. Sie können bestimmte Befehle ausführen und Fragen beantworten, sind aber in ihrem Funktionsumfang begrenzt. Schwache KI ist bereits weit verbreitet und findet sich in vielen Alltagsanwendungen, von Navigationssystemen bis hin zu Empfehlungsalgorithmen in Streaming-Diensten.
  2. Starke KI: Das Ziel der starken KI ist es, menschliche kognitive Fähigkeiten nachzubilden. Diese Form der KI ist in der Lage, komplexe Probleme zu lösen, abstrakt zu denken und möglicherweise sogar Bewusstsein zu entwickeln. Obwohl starke KI bisher nur ein theoretisches Konzept ist, treibt sie die Forschung voran und wirft wichtige ethische und philosophische Fragen auf.
  3. Superintelligenz: Hierbei handelt es sich um ein hypothetisches Konzept einer KI, die die menschliche Intelligenz in praktisch allen Bereichen übertrifft. Die möglichen Auswirkungen einer solchen Superintelligenz sind Gegenstand intensiver Debatten in der Wissenschaft und der Öffentlichkeit.
Trainingsparadigmen – Wie gelernt wird, spiegelt sich in Stärken und Schwächen des jeweiligen KI-Modells wider

Die Leistungsfähigkeit von KI-Systemen hängt maßgeblich von ihren Trainingsmethoden ab. Die drei wichtigsten Paradigmen sind:

  1. Überwachtes Lernen (sog. Supervised Learning): Bei dieser Methode werden KI-Modelle mit gekennzeichneten Daten trainiert. Das System lernt, indem es Muster in den Eingabedaten erkennt und diese mit den korrekten Ausgaben in Verbindung bringt. Diese Methode wird häufig für Klassifizierungsaufgaben eingesetzt, wie beispielsweise in der Bilderkennung oder Spamfilterung.
  2. Unüberwachtes Lernen (sog. Unsupervised Learning): Hier arbeiten die Modelle mit unmarkierten Daten und versuchen, eigenständig Muster und Strukturen zu erkennen. Diese Methode ist besonders nützlich, wenn es darum geht, verborgene Zusammenhänge in großen Datenmengen aufzudecken, wie es etwa bei Marktanalysen oder in der wissenschaftlichen Forschung der Fall ist.
  3. Bestärkendes Lernen (sog. Reinforcement Learning): Bei diesem Ansatz lernen KI-Agenten durch Interaktion mit ihrer Umgebung. Sie erhalten Belohnungen für erwünschtes Verhalten und Bestrafungen für unerwünschtes Verhalten – quasi wie beim Hundetraining. Diese Methode wird oft in der Robotik und bei der Entwicklung von KI für Spiele eingesetzt.

Bekannteste Form heutiger KI:

Eine der bemerkenswertesten Entwicklungen der letzten Jahre sind die Large Language Models (LLMs). Diese vielseitigen Modelle, wie beispielsweise ChatGPT, haben die Fähigkeit, Sprache auf einem sehr hohen Niveau zu verstehen und zu generieren. Sie werden durch eine Technik namens Deep Learning auf Basis einer schwindelerregenden Menge digitaler Textdateien trainiert. Dabei wird der gesamte Inhalt des frei zugänglichen Internets durch “Transformer” gepresst – man kann sich diese stark vereinfacht als Daten-Trichter vorstellen – und in die sogenannten Gewichtungen (Weights) des Modells überführt. Diese Gewichtungen sind das Geheimrezept jedes LLMs und sind für die Qualität des Outputs von entscheidender Bedeutung. LLMs können eine Vielzahl von Aufgaben bewältigen, von der Texterstellung über Übersetzungen bis hin zur Beantwortung komplexer Fragen. Ihre Vielseitigkeit und Leistungsfähigkeit machen sie zu einem wichtigen Werkzeug in vielen Bereichen, von der Forschung bis hin zur Kreativbranche.

Multimodalität:

Die jüngsten Entwicklungen aller großen KI-Player gehen in die gleiche Richtung ⇒ Multimodalität. Damit ist nicht mehr, aber auch nicht weniger gemeint, als dass die KI-Modelle in der Lage sind, neben Text auch mit Bild- und Tonmaterial umzugehen. So ist das neueste Modell von OpenAI, ChatGPT-4o oder auch Gemini von Google, von vornherein auch auf Basis einer riesigen Menge an Bild-, Video- und Tonaufnahmen trainiert worden. ChatGPT-4o kann man problemlos ein Bild beschreiben lassen oder Gemini mit einer Zusammenfassung ganzer Youtube-Videos beauftragen. Andersherum können dedizierte Videomodelle wie Sora (OpenAI) oder Veo (Google) bereits täuschend echt anmutende Videos in nur wenigen Minuten anhand einer einfachen Texteingabe produzieren. Auch die Robotik hat seit dem Siegeszug der LLMs große Sprünge vollzogen. Zwar werden diese vornehmlich durch Reinforcement Learning trainiert; LLMs dienen jedoch auch hier als sogenannte “Reasoning Engine” und nehmen die Rolle des Planers und der Schnittstelle zum Menschen ein.

Und wozu soll das alles gut sein?

Die rasante Entwicklung der KI verspricht zahlreiche praktische Anwendungen, die unser tägliches Leben in naher Zukunft verändern könnten. Hier sind einige konkrete Beispiele, wie fortschrittliche KI-Modelle sich nahtlos in unseren Alltag integrieren werden:

24/7-Assistenten: KI-gestützte persönliche Assistenten könnten uns rund um die Uhr bei Alltagsaufgaben unterstützen. Sie würden nicht nur an Termine erinnern, sondern auch proaktiv Vorschläge machen, um unseren Tagesablauf zu optimieren. Diese Assistenten könnten lernen, unsere Gewohnheiten und Präferenzen zu verstehen und ihre Unterstützung entsprechend anpassen.

Automatisierung der täglichen Pflichten: KI-Systeme könnten routinemäßige Aufgaben wie das Bestellen von Lebensmitteln oder die Planung von Wartungsarbeiten übernehmen. Intelligente Kühlschränke könnten den Inhalt überwachen und automatisch Nachbestellungen auslösen, während smarte Haussteuerungssysteme Wartungsarbeiten koordinieren und Termine mit Handwerkern vereinbaren.

Personalisierte Gesundheitsüberwachung: KI könnte kontinuierlich unsere Gesundheitsdaten überwachen und individuelle Maßnahmen zur Gesundheitsförderung und Krankheitsprävention erarbeiten. Tragbare Geräte liefern schon heute Vitalparameter in Echtzeit. Eine spezialisierte KI kann diese Daten zukünftig für uns analysieren und frühzeitig auf potenzielle Gesundheitsrisiken hinweisen. KI-Systeme könnten darüber hinaus auch personalisierte Ernährungs- und Bewegungspläne erstellen und diese basierend auf unseren Fortschritten und sich ändernden Bedürfnissen anpassen.

Intelligente Reiseplanung: KI könnte bald schon die Reiseplanung revolutionieren, indem sie personalisierte Reisepläne erstellt, die unsere Interessen, Budget und zeitliche Verfügbarkeit berücksichtigen. Solche Systeme könnten auch in Echtzeit auf Änderungen reagieren, alternative Routen vorschlagen und uns über kulturelle Besonderheiten oder lokale Ereignisse am Zielort informieren.

Es wäre alles so schön, gäbe es da nicht die Risiken und Herausforderungen

Trotz der vielversprechenden Möglichkeiten birgt die zunehmende Integration von KI in unser tägliches Leben auch erhebliche Risiken und Herausforderungen.

Als eine der offensichtlichen Risiken ist der Missbrauch zum Zweck der Täuschung und des Betrugs zu nennen. KI-Technologien können (und werden schon heute) für Identitätsdiebstahl und ausgeklügelte Phishing-Angriffe missbraucht werden. Deepfakes, also täuschend echte Audio- und Videomanipulationen, stellen eine besondere Gefahr dar, da sie für Betrug oder Rufschädigung eingesetzt werden können.

Desinformation ist ein weiteres Problem, das wir alle schon erlebt haben. Die Fähigkeit von KI, realistische Texte und Bilder zu generieren, führt schon heute zu einer Überflutung der sozialen Medien mit KI-generiertem Content. Wer sich dieser Tage auf Social Media herumtreibt, weiß, wovon die Rede ist. Die schiere Masse an KI-Bildern etc. erschwert die Unterscheidung zwischen echten und gefälschten Informationen und kann die öffentliche Meinungsbildung manipulieren.

Um trotz dieser Flut an Fake-Content nicht ins Rudern zu geraten, muss die eigene Medienkompetenz geschult werden. Angesichts dieser Herausforderungen ist eine flächendeckende Bildung zur Erkennung und Abwehr von Desinformation essenziell (die Skandinavier und Balten sind uns da schon weit voraus!). Menschen müssen lernen, kritisch mit Informationen umzugehen und die Authentizität von Quellen zu hinterfragen. Schulen und andere Bildungseinrichtungen stehen vor der Aufgabe, entsprechende Kompetenzen zu vermitteln.

Auch Datenschutz und Privatsphäre sind ein heikles Thema. Die Sammlung und Verarbeitung großer Datenmengen durch KI-Systeme wirft Fragen zum Schutz persönlicher Informationen auf. Es besteht die Gefahr, dass sensible Daten in falsche Hände geraten oder für Zwecke verwendet werden, denen die Betroffenen nicht zugestimmt haben.

Last but not least stehen uns auch signifikante Veränderungen der Arbeitswelt ins Haus. Denn die zunehmende Automatisierung durch KI wird höchstwahrscheinlich zu Verwerfungen auf dem Arbeitsmarkt führen. Während einige Berufe früher oder später obsolet werden, entstehen gleichzeitig neue Tätigkeitsfelder. Es ist wichtig, dass Gesellschaft und Bildungssystem sich auf diese Veränderungen einstellen und Menschen für die Arbeitswelt der Zukunft qualifizieren. Mustafa Suleyman, Mitbegründer von DeepMind und derzeitiger CEO der KI-Sparte bei Microsoft, empfiehlt jedem, der sich Sorgen um eine KI-dominierte Arbeitswelt von morgen macht, sich möglichst breit aufzustellen und sich zu einer Art Universalgelehrten weiterzuentwickeln. Denn schon heute kann man beobachten, dass es gerade die als todsicher geglaubten Bildungswege in den Naturwissenschaften oder im Ingenieurswesen (insbesondere Programmierer), besonders hart treffen könnte.

Das Janus-Gesicht der KI – Vorteile und Nachteile werden mit zunehmend leistungsfähigeren Modellen immer stärker spürbar werden

Künstliche Intelligenz bietet enorme Chancen zur Verbesserung unserer Lebensqualität und zur Lösung komplexer gesellschaftlicher Herausforderungen. Gleichzeitig birgt sie erhebliche Risiken, die nicht ignoriert werden dürfen. Ein fundiertes Verständnis der Technologie und ein kritisches Bewusstsein für ihre Auswirkungen sind unerlässlich, um die Vorteile der KI verantwortungsbewusst zu nutzen und die Gefahren zu minimieren.

Es ist davon auszugehen, dass KI uns langfristig begleiten und unsere Gesellschaft nachhaltig prägen wird. Daher ist es wichtig, sich frühzeitig und intensiv damit auseinanderzusetzen. Dies betrifft nicht nur Expert*innen und Entscheidungsträger, sondern jeden Einzelnen. Bildung, öffentlicher Diskurs und eine vorausschauende Regulierung sind entscheidend, um die Entwicklung der KI in eine Richtung zu lenken, die dem Wohl der Allgemeinheit dient.

Die Zukunft der KI liegt in unseren Händen. Es liegt an uns, diese vielversprechende und potenziell sehr mächtige Technologie so zu gestalten und einzusetzen, dass sie unser Leben bereichert, ohne unsere Werte und unser Zusammenleben zu gefährden. Mit Weitsicht, Verantwortungsbewusstsein und kontinuierlichem Dialog können wir die Chancen der KI nutzen und gleichzeitig ihre Risiken bewältigen.

Von Frank Heisel, CO-CEO bei RISK IDENT