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Künstliche Intelligenz in der Versicherungswelt – Chancen nutzen, Risiken managen

Transformation durch KI in der Versicherungsbranche + Künstliche Intelligenz verändert die Versicherungswelt tiefgreifend: Sie beschleunigt Prozesse, verbessert die Effizienz und eröffnet neue Möglichkeiten in der Kundenansprache, der Risikoprüfung und der Schadenbearbeitung. Mögliche Anwendungsgebiete reichen von Chatbots im Kundenservice über kundenindividuelle Marketing-Maßnahmen bis hin zu automatisierten Entscheidungen im Underwriting und intelligenter Betrugserkennung. Lernende Systeme erschließen dabei neue operative Möglichkeiten – gleichzeitig steigen die Anforderungen an Transparenz, Sicherheit und Kontrolle.

KI in der Praxis und die Rolle von Cognitive Process Automation

Versicherer wie die Allianz setzen KI bereits in der Schadenbearbeitung ein. In der Tierkrankenversicherung etwa erfolgt die Prüfung und Auszahlung von Leistungen nahezu vollständig automatisiert und innerhalb weniger Stunden. HUK-Coburg analysiert mithilfe von Telematikdaten das Fahrverhalten von Autofahrern, um individuelle Tarife anzubietenvorsichtige Fahrer profitieren dabei von niedrigeren Beiträgen. Auch im Vertrieb ermöglicht KI personalisierte Empfehlungen auf Basis von Kundendaten – die Beratungsqualität steigt, die Kundenbindung wächst.

Viele dieser Anwendungsgebiete können mit Cognitive Process Automation umgesetzt werden. Sie geht über die klassische Robotic Process Automation hinaus und nutzt maschinelles Lernen, Sprachverarbeitung und semantische Analyse. Auf diese Weise können selbst unstrukturierte und wissensintensive Aufgaben automatisiert werden. Dazu zählen die Bearbeitung von Schadenmeldungen, die Auswertung von Verträgen oder die Analyse von Schriftverkehr. Die Systeme generieren automatisiert individuelle Inhalte, zum Beispiel für E-Mails, basierend auf Vertragsdaten oder Kommunikationsmustern. Dabei greifen sie auf sensible Informationen zu und lernen aus ihnen.

Sicherheit, Verantwortung und menschliches Eingreifen

Der Umgang mit personenbezogenen und sensiblen Daten erfordert höchste Sicherheitsstandards. Versicherer speichern Gesundheitsdaten, finanzielle Informationen oder Mobilitätsprofile, die in KI-Systeme einfließen. Ohne ausreichende Schutzmaßnahmen steigt das Risiko für Manipulationen und Datenschutzverletzungen. Angriffe über unsichere Schnittstellen oder bewusst manipulierte Eingaben können Entscheidungen verfälschen. Solche Fehler fallen oft nicht sofort auf. Die Folge sind fehlerhafte Schadenregulierungen oder fehlerhafte Beitragsberechnungen. Auch unbeabsichtigte Diskriminierungen sind möglich. Deshalb ist es entscheidend, dass algorithmische Entscheidungen nachvollziehbar bleiben. Explainable AI (XAI) zielt darauf, die Funktionsweise technischer Systeme nachvollziehbar zu machen. Neben technischen Schutzmechanismen wie Zugriffskontrollen und Monitoring braucht es klare Regelungen für den Umgang mit Entscheidungen. Kritische Prozesse sollten nicht vollständig automatisiert ablaufen. Stattdessen unterstützt die KI mit Vorschlägen, während qualifizierte Mitarbeitende die finale Prüfung und Entscheidung übernehmen.

Regulatorische Anforderungen und externe Systeme im Blick

Der rechtliche Rahmen wird durch die Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) und den EU AI Act definiert. Beide setzen klare Vorgaben zur Transparenz, Nachvollziehbarkeit und Sicherheit von KI-Systemen. Darüber hinaus birgt die KI-Technologie selbst inhärente Risiken, etwa durch sogenannte „Halluzinationen“, bei denen KI-Modelle falsche oder irreführende Informationen erzeugen. Um diesen Risiken zu begegnen, gewinnen Maßnahmen wie AI-TRiSM (Trust, Risk and Security Management), die Norm ISO/IEC 42001 für KI-Managementsysteme sowie umfassende Complianceberatung zunehmend an Bedeutung.

Die Aufsichtsbehörde BaFin erwartet verständliche und überprüfbare Entscheidungsprozesse, vor allem bei Risikoprüfung, Prämienberechnung und Schadenbewertung. Besonders herausfordernd ist der Einsatz externer KI-Lösungen. Diese Systeme arbeiten häufig intransparent. Die Trainingsdaten und Entscheidungslogiken bleiben unzugänglich. Trotzdem liegt die Verantwortung beim Versicherungsunternehmen. Ohne klare interne Regeln zur Auswahl, Überprüfung und Einbindung solcher Systeme können schnell rechtliche und reputative Risiken entstehen.

Fazit: Verantwortungsvolle Nutzung von KI als Zukunftsaufgabe

Der erfolgreiche Einsatz von KI in der Versicherungsbranche erfordert nicht nur moderne Technologien, sondern auch ein durchdachtes Sicherheits- und Governance-Konzept. Technische Maßnahmen wie Zugriffsbeschränkungen, Modellüberwachung und sichere Schnittstellen müssen mit organisatorischen Standards wie Risikobewertungen und Dokumentationen verknüpft werden. Unternehmen müssen frühzeitig entsprechende Strukturen schaffen, um den Anforderungen gerecht zu werden. Der EU AI Act führt dazu, dass Transparenzpflichten, Audits und Risikoanalysen keine Option, sondern eine Verpflichtung sind. Für die Umsetzung braucht es eine enge Zusammenarbeit zwischen Fachabteilungen, IT und Compliance. Nur wenn alle Beteiligten gemeinsam Verantwortung übernehmen, kann das Potenzial intelligenter Systeme genutzt werden, ohne Vertrauen zu verspielen.

Autor: Ahmet Varlik – Abteilungsleiter Cognitive Process Automation bei msg


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