
In Brüssel laufen die finalen Trilog-Verhandlungen zur EU-Verfahrensverordnung – möglicherweise 21. Mai stand die entscheidende Sitzung an. Ziel der Verordnung ist es eigentlich, die Durchsetzung der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) in Europa effizienter und einheitlicher zu gestalten. Doch Kritiker warnen: Der aktuelle Entwurf könnte genau das Gegenteil bewirken.
Statt für Klarheit und Tempo zu sorgen, sehen Datenschützer die Gefahr einer massiven Schwächung der DSGVO. Lange Fristen, bürokratisch aufgeladene Abläufe und eine strukturelle Benachteiligung von Betroffenen könnten das Verfahren lähmen. Besonders in der Kritik steht, dass große Technologiekonzerne von den geplanten Regelungen profitieren könnten – auf Kosten der Datenschutzrechte europäischer Bürger.
Obwohl das Europäische Parlament ursprünglich eine klare Linie zum Schutz der Betroffenen verfolgte, seien zentrale Positionen inzwischen aufgegeben worden, heißt es von der Datenschutz-NGO noyb. Die Organisation prüft bereits rechtliche Schritte, sollte die Verordnung in ihrer jetzigen Fassung verabschiedet werden – bis hin zu einem Nichtigkeitsverfahren vor dem Europäischen Gerichtshof.
Die geplante Verordnung könnte nicht nur die DSGVO untergraben, sondern auch Grundprinzipien wie das Recht auf ein faires Verfahren und eine gute Verwaltung verletzen. Datenschützer schlagen Alarm – und der Druck auf die Verhandler steigt.
DSGVO-Reform: Erste Verfahren könnten sich bis 2029 hinziehen
Ein zentrales Versprechen der neuen EU-Verfahrensverordnung zur DSGVO war eine schnellere und effizientere Bearbeitung grenzüberschreitender Datenschutzfälle. Doch aktuelle Entwürfe zeichnen ein gegenteiliges Bild: Statt Beschleunigung drohen erhebliche Verzögerungen – erste Fristen könnten erst 2029 ablaufen.
Bereits für einzelne Abschnitte wie die Planungs- oder Entscheidungsphase sind Fristen von sieben beziehungsweise vier Monaten vorgesehen. Die entscheidende Frage, wie lange die eigentliche Untersuchung dauern darf, ist weiterhin offen. Datenschützer rechnen bereits jetzt mit einer Gesamtdauer von über zwei Jahren pro Verfahren. Hinzu kommt eine Übergangsfrist von 18 Monaten nach Inkrafttreten der Verordnung – was ein tatsächliches Inkrafttreten frühestens Ende 2026 oder Anfang 2027 bedeuten würde. Der erste Fall, der vollständig unter die neuen Fristen fällt, könnte somit erst 2029 abgeschlossen werden.
„Allein für die Verfahrensplanung sind sieben Monate vorgesehen, für die Entscheidung vier weitere. Ohne Untersuchung wären wir schon bei fast einem Jahr – in der Realität wird sich das auf zwei bis drei Jahre summieren“, warnt Datenschutzaktivist Max Schrems von der NGO noyb. Ursprünglich hatte das Europäische Parlament Fristen von maximal drei Monaten gefordert – wie sie in einigen Mitgliedstaaten bereits heute gelten.
Mehr Bürokratie statt Vereinfachung
Besonders kritisch sehen Beobachter den wachsenden Verwaltungsaufwand. Die Verordnung fügt zahlreiche neue Verfahrensschritte hinzu, erfordert Dokumente in mehreren Varianten und verzichtet auf ein zentrales digitales System. Stattdessen sollen Akten weiterhin manuell zwischen über 40 Datenschutzbehörden ausgetauscht werden. Datenschützer rechnen mit einem enormen bürokratischen Aufwand und Kosten in Millionenhöhe.
„Diese Reform schafft keine Entlastung, sondern führt zu mehr Papierkram – für Behörden wie für Unternehmen“, erklärt Schrems. „Es ist das Gegenteil der versprochenen EU-Vereinfachung.“
Strukturelle Benachteiligung der Betroffenen
Darüber hinaus kritisiert noyb eine strukturelle Ungleichbehandlung zwischen Unternehmen und betroffenen Nutzer:innen. So haben Unternehmen etwa ein gesichertes Recht auf Akteneinsicht bei ihrer heimischen Behörde, während Nutzer Dokumente aus dem Ausland anfordern müssen – ohne verlässliche Informationsrechte. Auch das Recht auf Anhörung ist für Unternehmen deutlich stärker ausgestaltet.
„Während Unternehmen teilweise eine mündliche Anhörung erhalten, dürfen Betroffene oft nur schriftlich Stellung nehmen“, sagt Schrems. „Diese Verordnung bevorzugt systematisch die großen Konzerne. Von Waffengleichheit kann keine Rede sein.“
Parlament gibt Kernforderungen auf
Besonders brisant: Das Europäische Parlament hatte den ursprünglichen Vorschlag der Kommission noch stark überarbeitet und viele Schwächen korrigiert – darunter lange Fristen, intransparente Verfahren und unzureichende Rechte der Betroffenen. Doch im Laufe der Trilog-Verhandlungen mit Rat und Kommission habe das Parlament nahezu alle Verbesserungen zurückgenommen.
„Was am Ende bleibt, ist kaum wiederzuerkennen“, kritisiert Schrems. „Gerade von einer Verhandlungsführerin aus der Grünen-Fraktion und Piratenpartei hätte man mehr Einsatz für Grundrechte erwartet.“
Die NGO noyb prüft nun rechtliche Schritte gegen die Verordnung, sollte sie in der aktuellen Fassung beschlossen werden – bis hin zu einem Nichtigkeitsverfahren vor dem Europäischen Gerichtshof.
Kritik an DSGVO-Reform: Schlechtere Rechte für Betroffene, Vorteile für Unternehmen
Die geplante EU-Verfahrensverordnung zur DSGVO stößt bei Datenschützer auf scharfe Kritik. Sie werfe grundlegende Fragen zur Fairness auf – insbesondere, weil sie strukturell Unternehmen gegenüber Nutzern bevorzuge.
Während Unternehmen sämtliche Verfahrensdokumente direkt bei ihrer zuständigen Behörde erhalten, müssen Betroffene diese oft aus dem Ausland anfordern – ohne gesicherten Anspruch oder Einblick, ob alle Unterlagen vollständig sind. Auch im Verfahren selbst bestehen klare Ungleichgewichte: Unternehmen haben ein festes Recht auf Anhörung, zum Teil sogar mündlich, während Betroffenen nur eine schriftliche Stellungnahme ermöglicht wird. Zudem gilt in vielen Fällen das Verfahrensrecht des Landes, in dem das Unternehmen ansässig ist – nicht jenes der betroffenen Person.
„Die Verordnung bevorzugt systematisch Unternehmen – Betroffene bleiben außen vor. Von Waffengleichheit kann keine Rede sein“, kritisiert Max Schrems von der NGO noyb.
Parlament gibt Datenschutzpositionen weitgehend auf
Besonders bitter: Das Europäische Parlament hatte den ursprünglichen Entwurf der Kommission noch stark verbessert – mit klaren Fristen, mehr Transparenz und besseren Rechten für Betroffene. Doch in den Trilog-Verhandlungen mit Rat und Kommission wurden diese Positionen weitgehend aufgegeben.
„Das Parlament hat sich von seinen eigenen Forderungen verabschiedet“, so Schrems. „Gerade von einer Verhandlungsführerin aus der Grünen-Fraktion hätte man mehr Einsatz für Bürgerrechte erwartet.“
Verstoß gegen EU-Grundrechte?
noyb prüft derzeit, ob der finale Entwurf der Verordnung vor dem Europäischen Gerichtshof angefochten werden kann. Im Raum stehen mögliche Verstöße gegen mehrere Artikel der EU-Grundrechtecharta – etwa das Recht auf ein faires Verfahren (Art. 47), Gleichbehandlung vor dem Gesetz (Art. 20) oder das Recht auf Datenschutz (Art. 8).
„Die strukturellen Mängel der Verordnung könnten so gravierend sein, dass der Gerichtshof sie noch vor Inkrafttreten kippt“, warnt Schrems.
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