Künstliche Intelligenz (KI) hat eine Revolution in nahezu allen Branchen ausgelöst. E-Commerce ist hierbei keine Ausnahme. Insbesondere in der Betrugsprävention nutzen Händler KI, um ihre Systeme zu optimieren. KI-basierte Betrugserkennungssysteme können Millionen von Datenpunkten analysieren, um Unregelmäßigkeiten und potenziell betrügerisches Verhalten zu erkennen. Das erhöht die Flexibilität und Genauigkeit der Betrugsprävention und ermöglicht es Händlern, konkurrenzfähig zu bleiben.
Vor wenigen Jahren sah das noch ganz anders aus: Große interne Teams waren tagtäglich damit beschäftigt, Transaktionen zu überprüfen. Die manuelle Betrugsprävention ist für Onlinehändler ein Balanceakt zwischen dem Schutz vor tatsächlichem Betrug und dem Ablehnen legitimer Transaktionen, was zu Kundenverlusten führen und den Ruf der Händler negativ beeinflussen kann. Heute können Algorithmen den Großteil der Betrugspräventionsmaßnahmen übernehmen und agieren dabei nicht nur schneller, sondern auch zuverlässiger.
Hohe Verluste durch Zahlungsablehnungen und Betrug
Im Jahr 2020 gingen weltweit etwa 600 Milliarden US-Dollar an E-Commerce-Einnahmen aufgrund von Zahlungsablehnungen verloren. Eine Studie von Riskified zeigt, dass 28 Prozent der Kunden ihren legitimen Kaufversuch komplett aufgeben, nachdem sie eine Zahlungsablehnung erlebt haben. Weitere 14 Prozent entscheiden sich stattdessen für einen Konkurrenzanbieter.
Laut einer Studie von Juniper Research werden die kumulierten Verluste von Händlern durch Online-Zahlungsbetrug zwischen 2023 und 2027 weltweit voraussichtlich über 343 Milliarden US-Dollar liegen. Betrugstaktiken wie die Übernahme von Kundenkonten (ATOs) bereiten der E-Commerce-Branche zusätzliche Herausforderungen, da Betrüger ihre Vorgehensweisen und Fähigkeiten fortlaufend anpassen und verbessern.
Ein Beispiel hierfür ist der sogenannte “Friendly Fraud” oder „Freundliche Betrug“. In solchen Fällen behauptet der Kunde, die Ware nicht erhalten zu haben und reicht bei seiner Bank oder Kreditkartenfirma einen sogenannten „Artikel nicht erhalten“ Chargeback ein. Einige Betrüger führen sogar groß angelegte Chargeback-Betrugsaktionen durch und verkaufen dann die Artikel auf dem Schwarzmarkt.
Ein weiterer wachsender Kundentrend ist der Missbrauch von Geschäftsbedingungen. Dabei nutzen regulär zahlende Kunden die Geschäftsbedingungen des Händlers aus oder missachten diese, um Geld zu sparen oder gar zu verdienen. Dies kann verschiedene Formen annehmen, wie beispielsweise Rückerstattungsbetrug oder das sogenannte „Wardrobing“, bei dem Kunden Artikel zurückschicken, aber den Originalartikel durch einen leeren Karton oder gebrauchte Artikel ersetzen.
Anpassungsfähige Systeme für präzise Entscheidungen
Früher basierten traditionelle Betrugserkennungsmethoden oft auf menschlich erstellten Regeln, die darüber bestimmen, welche Transaktionen abgelehnt werden sollten und welche als legitim gelten. Diese regelbasierte Betrugserkennung war umständlich, unflexibel und häufig ungenau. KI-basierte Betrugserkennungsmethoden stützen sich hingegen auf unüberwachtes Lernen, bei dem große Datensätze von mehreren Anbietern und Millionen von Transaktionen von einem Algorithmus analysiert werden.
Der Algorithmus wird nicht im Voraus darauf trainiert, wonach er suchen soll. Stattdessen erkennt das System Muster und bestimmt, was als „normal“ gilt, basierend auf Verhaltensmustern in den Daten. KI kann durch diesen Lernprozess Anomalien und verdächtiges Verhalten erkennen, ohne dass zuvor „Regeln“ festgelegt werden müssen und somit sofortige analytische Entscheidungen treffen, ob eine Transaktion genehmigt oder abgelehnt wird.
Moderne Betrugserkennungstechnologien ermöglichen es Händlern, in Bezug auf Betrugserkennung und eine nahtlose Checkout-Erfahrung mit großen Marktplätzen wie beispielsweise Amazon gleichzuziehen, da sie unabhängig von ihrer Größe und ihrem Umsatz einen gleichberechtigten Zugang zu Betrugserkennungsmöglichkeiten bieten. Ein Beispiel hierfür ist der Expressversand, der bei der Betrugserkennung oft als Warnsignal galt, da die meisten Kunden mit legitimen Kaufabsichten nicht bereit waren, mehr zu bezahlen, um ihre Ware schneller zu erhalten.
Im Jahr 2020 entschieden sich jedoch aufgrund von häufig auftretenden Lieferverzögerungen immer mehr Kunden für den Expressversand. Die Anzahl der Bestellungen mit Expressversand stieg von Januar bis Dezember 2020 um 140 Prozent, während der Betrugsanteil im gleichen Zeitraum um 45 Prozent zurückging. Betrugserkennungsalgorithmen haben sich seitdem an die „neue Normalität“ des Expressversands angepasst.
Biometrische Faktoren bestimmen die Betrugsprävention der Zukunft
In Zeiten wirtschaftlicher Anspannung nehmen betrügerische Aktivitäten oftmals zu. Kunden wünschen sich weiterhin die gleichen Waren, verfügen jedoch über weniger Einkommen oder halten ihre Ausgaben auf Sparflamme. KI kann dabei helfen, solche Trends zu erkennen und Händler bei der Ergreifung geeigneter Maßnahmen zu unterstützen. Eine innovative Methode, die dabei häufig zum Einsatz kommt, sind sogenannte „Chargeback-Streit-Dienste“. Diese nutzen KI, um Daten wie IP-Adressen, Geräte-Fingerabdrücke und Verhaltensanalysen zu sammeln und mit früheren Bestellungen im Händlernetzwerk abzugleichen.
Auf diese Weise können Händler betrügerische Aktivitäten priorisieren und Streitprozesse automatisieren. Betrugserkennungsmethoden werden in Zukunft über das bloße Einkaufsverhalten hinausgehen. In der modernen Betrugsprävention werden biometrische Aspekte, wie beispielsweise „Stimmenmuster“ oder der Winkel, in dem ein Mobiltelefon gehalten wird, eine immer größere Rolle spielen.
Autor: T.R. Newcomb, VP Strategy und Corporate Development, Riskified