
Im Streit um das mobile Betriebssystem Android hat die Generalanwältin am Europäischen Gerichtshof, Juliane Kokott, vorgeschlagen, die Klage von Google gegen eine milliardenschwere Kartellstrafe abzuweisen. Damit würde die von einem EU-Gericht festgesetzte Geldbuße in Höhe von 4,124 Milliarden Euro bestätigt.
Mit Entscheidung vom 18. Juli 2018 hat die Kommission gegen Google eine Geldbuße in Höhe von fast 4,343 Mrd. EUR verhängt. Google hat seine marktbeherrschende Stellung missbraucht, indem es Herstellern von Mobilgeräten und Mobilfunknetzbetreibern wettbewerbswidrige vertragliche Beschränkungen auferlegt hat, in einigen Fällen seit dem 1. Januar 2011:
1. Hersteller konnten eine Lizenz für den App-Store „Play Store“ von Google nur erhalten, wenn sie die allgemeine Suchanwendung „Google Search“ und den Browser „Chrome“ von Google vorinstallierten („Bündelung“).
2. Um eine Lizenz für den Play Store und die Google-Suche zu erhalten, mussten sie sich außerdem verpflichten, keine Geräte zu verkaufen, die mit nicht von Google genehmigten Versionen des Android-Betriebssystems ausgestattet waren („Anti-Fragmentierung“).
3. Schließlich machte Google die Gewährung eines Anteils an den Werbeeinnahmen von Google an Hersteller und Netzbetreiber davon abhängig, dass sie auf keinem Gerät eines vereinbarten Portfolios einen anderen allgemeinen Suchdienst vorinstallierten („Umsatzbeteiligung“).
Nach Ansicht der Kommission verfolgte Google mit all diesen Beschränkungen das Ziel, seine beherrschende Stellung im Bereich der allgemeinen Suchdienste und damit die Einnahmen, die Google durch Suchanzeigen erzielt, in einer Zeit zu schützen und zu stärken, in der die Bedeutung des mobilen Internets erheblich zunahm. Aufgrund ihres gemeinsamen Ziels und ihrer kumulierten Auswirkungen stufte die Kommission die Beschränkungen als einen einzigen und fortgesetzten Verstoß ein.
Google legte gegen die Entscheidung der Kommission vor dem Gericht der Europäischen Union Berufung ein, jedoch mit begrenztem Erfolg:
Mit Urteil vom 14. September 2022 3 hob das Gericht die Entscheidung (nur) insoweit auf, als sie die Umsatzbeteiligungsregelung betraf, und setzte die Geldbuße auf 4,124 Mrd. EUR fest. 4 Google legte daraufhin Rechtsmittel beim Gerichtshof ein.
In ihren heute vorgelegten Schlussanträgen schlägt Generalanwältin Kokott vor, die Klage von Google abzuweisen und damit das Urteil des Gerichts zu bestätigen.
Erstens kann die Würdigung des Sachverhalts und der Beweise durch das Gericht grundsätzlich nicht vor dem Gerichtshof angefochten werden. Zweitens sind die von Google vorgebrachten rechtlichen Argumente unbegründet.
Was insbesondere die Bündelung des Play Store mit der Google-Suche und Chrome betrifft, so war das Gericht entgegen der Auffassung von Google nicht verpflichtet, zur Feststellung eines Missbrauchs von der Kommission eine Analyse der Wettbewerbslage ohne das beanstandete Verhalten (sogenannte kontrafaktische Analyse) zu verlangen. Das Gericht konnte sich darauf beschränken, festzustellen, dass die Entscheidung der Nutzer, Google Search und Chrome anstelle von konkurrierenden Apps zu verwenden, durch die mit ihrer Vorinstallation verbundene „Status-quo-Tendenz“, die die Wettbewerber nicht ausgleichen konnten, in diskriminierender Weise beeinflusst wurde.
Außerdem war das Gericht nicht verpflichtet, seine Prüfung über die wettbewerbsbeschränkende Wirkung der Bündelung hinaus auszudehnen und zu prüfen, ob dieses Verhalten geeignet war, Wettbewerber, die ebenso effizient wie Google sind, konkret vom Markt auszuschließen.
Im vorliegenden Fall ist es nicht realistisch, die Situation von Google mit der eines hypothetischen ebenso effizienten Wettbewerbers zu vergleichen. Google hatte eine beherrschende Stellung auf mehreren Märkten des Android-Ökosystems inne und profitierte somit von Netzwerkeffekten, die es ihm ermöglichten, sicherzustellen, dass die Nutzer die Google-Suche verwendeten. Dadurch erhielt Google Zugang zu Daten, die es ihm wiederum ermöglichten, seinen Dienst zu verbessern. Kein hypothetischer ebenso effizienter Wettbewerber hätte sich in einer solchen Situation befinden können.
Nach Ansicht von Generalanwältin Kokott hat das Gericht auch zu Recht festgestellt, dass trotz der Nichtigerklärung der Entscheidung der Kommission in Bezug auf die Aufteilung der Einnahmen weiterhin eine einzige und fortgesetzte Zuwiderhandlung vorliegt.
Ungeachtet dieser teilweisen Nichtigerklärung besteht eine Gesamtstrategie, die darauf abzielt, die Entwicklung des mobilen Internets vorwegzunehmen und gleichzeitig das Geschäftsmodell von Google zu erhalten, das auf den Einnahmen basiert, die es im Wesentlichen aus der Nutzung seines allgemeinen Suchdienstes erzielt.
Schließlich hat das Gericht auch bei der Neuberechnung der Höhe der Geldbuße keinen Fehler begangen.
HINWEIS: Die Schlussanträge des Generalanwalts sind für den Gerichtshof nicht bindend. Die Generalanwälte haben die Aufgabe, dem Gerichtshof in völliger Unabhängigkeit eine rechtliche Lösung der ihnen vorgelegten Rechtssachen vorzuschlagen. Die Richter des Gerichtshofs treten nun in die Beratung über diese Rechtssache ein. Das Urteil wird zu einem späteren Zeitpunkt verkündet.
HINWEIS: Gegen das Urteil oder den Beschluss des Gerichts kann vor dem Gerichtshof nur ein Rechtsmittel in Form einer auf eine oder mehrere Rechtsfragen beschränkten Rechtsmittelbeschwerde eingelegt werden. Das Rechtsmittel hat grundsätzlich keine aufschiebende Wirkung. Ist das Rechtsmittel zulässig und begründet, hebt der Gerichtshof das Urteil des Gerichts auf. Soweit es das Verfahren zulässt, kann der Gerichtshof selbst endgültig über die Rechtssache entscheiden. Andernfalls verweist er die Rechtssache an das Gericht zurück, das an die Entscheidung des Gerichts über das Rechtsmittel gebunden ist.
Der vollständige Wortlaut der Stellungnahme wurde am Tag der Verkündung auf der Website von CURIA veröffentlicht.
1 Decision of 18 July 2018 relating to a proceeding under Article 102 TFEU and Article 54 of the EEA Agreement (Case AT.40099 – Google Android, summarised in OJ 2019 C 402, p. 19; see also Commission Press Release IP/18/4581). At the time, this was the largest fine ever imposed by a competition authority in Europe.
2 Of which almost €1.922 billion jointly and severally with Alphabet, Google’s parent company.
3 Decision of the General Court of 14 September 2022, Google and Alphabet v Commission (Google Android), T-604/18; see also Press Release No.147/22.
4 Alphabet is jointly and severally liable for almost €1.521 billion.
Fachartikel

Unsicherer Systemstart: Sicherheitslücke in initramfs erlaubt Umgehung von Linux-Bootschutz

SAP Patch Day: Juli 2025

Zweifelhafte Datensätze im Dark Web: Warum Combolists und ULP-Dateien oft keine verlässlichen Hinweise auf Sicherheitsvorfälle liefern

Ransomware-Gruppe BERT attackiert Unternehmen in Asien und Europa auf breiter Front

Streamen Sie Red Sift-Telemetriedaten an Sentinel, Splunk und mehr mit Event Hub
Studien

WatchGuard Internet Security Report: Einzigartige Malware steigt um 171 Prozent – KI-Boom treibt Bedrohungen voran

Zwei Drittel der EU-Institutionen erfüllen grundlegende Cybersicherheitsstandards nicht

Splunk-Studie: Datenflut bedroht Sicherheit und bremst KI – Deutsche Unternehmen im Spannungsfeld von Informationsexplosion und Compliance

Neue CSC-Umfrage: Überwältigende Mehrheit der CISOs rechnet in den nächsten drei Jahren mit einem Anstieg der Cyberangriffe

Accenture-Studie: Unternehmen weltweit kaum gegen KI-basierte Cyberangriffe gewappnet
Whitepaper

ISACA veröffentlicht Leitfaden zu NIS2 und DORA: Orientierungshilfe für Europas Unternehmen

CISA und US-Partner warnen kritische Infrastrukturen vor möglichen Cyberangriffen aus dem Iran

Dating-Apps: Intime Einblicke mit Folgen

Europol-Bericht warnt vor KI-Vorurteilen in der Strafverfolgung – Leitfaden für verantwortungsvollen Technologieeinsatz veröffentlicht
