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Digitale Verwaltungsdienste ohne Datengrundlage?

Wieso das Onlinezugangsgesetz ohne eine Registermodernisierung eine halbe Sache bleiben muss

Deutsche Behörden tun sich schwer, ihre Angebote für Bürger und Bürgerinnen digital anzubieten. Das aktuelle Onlinezugangsgesetz (OZG) macht aber Bund, Ländern und Kommunen jetzt kräftig Druck. Geht es nach dem Gesetzgeber, sollen bis Jahresende rund 600 Verwaltungsdienstleistungen in digitaler Form bereitstehen – und zwar bundesweit. Ein ehrgeiziges Ziel, das sich mit großer Wahrscheinlichkeit in der verbleibenden Zeit nicht umsetzen lässt. Deshalb beschloss der IT-Planungsrat auf seiner 38. Sitzung im Juni dieses Jahres einen OZG-Booster. Dieser soll zumindest die Verfügbarkeit der vorrangig zu digitalisierenden „Einer-für-Alle“-Leistungen (EfA-Leistungen) bis Jahresende gewährleisten. Das sind die Leistungen, die ein Bundesland entwickelt, betreibt und anderen Ländern bereitstellt. Ein sinnvoller Zwischenspurt – aber mit einem entscheidendem Haken: Es gibt keinen flächendeckenden Zugriff auf aktuelle und konsistente Datenbestände, sondern stattdessen viele zum Teil dezentrale Register. Ohne einen einfachen Zugriff auf einheitliche Daten ist es jedoch nicht zielführend, digitale Verwaltungsleistungen bereitzustellen.

Für digitale Dienste benötigen Behörden Zugriff auf die sogenannten Register, also die aktuellen, elektronisch geführten Datenbestände. Diese sind hierzulande jedoch nicht einheitlich an einem zentralen Ort gespeichert, sondern über die unterschiedlichen Verwaltungseinheiten bundesweit verteilt. Der IT-Planungsrat geht aktuell von mehr als 375 zentralen und dezentralen Registern aus, auf die die einzelnen kommunalen, Landes-  und Bundesbehörden zugreifen. Die Register sind in der Regel nicht miteinander vernetzt, was dazu führt, dass in unterschiedlichen Behörden nicht selten unterschiedliche Datensätze zu einer Person vorliegen. Dies verursacht Fehler, Mehraufwand und zusätzliche Kosten. Digitalisierte administrative Prozesse benötigen aber den Zugriff auf eine einheitliche digitale Datengrundlage.

Fehlende einheitliche Datenbasis

Die eigentlich per Gesetz 2021 beschlossene Registermodernisierung, um Daten sicher und datenschutzkonform den richtigen Personen zuzuordnen und Registerstrukturen effizienter zu vernetzen, soll hier Abhilfe schaffen. Leider haben die Verantwortlichen Stand heute immer noch versäumt, zeitgleich mit den OZG-Leistungen eine einheitliche Informationsgrundlage digital verfügbar zu machen. Digitale Abläufe sollten ihre „Register ziehen“ können und so die Verfügbarkeit der Informationen ermöglichen. Aktuell steuert das OZG über mehrere Manuale die Töne an, während das Registermodernisierungsgesetz (RMG) autonom seine Register zieht. Harmonie hört sich anders an.

Der Grund ist ganz einfach: Während das Onlinezugangsgesetz bereits im August 2017 in Kraft trat, starteten die Verantwortlichen die Registermodernisierung erst 2019. Anstatt beide Projekte von Anfang an eng aufeinander abzustimmen, arbeiten die Verantwortlichen zeitversetzt an zwei Fronten. Das trägt nicht dazu bei, das OZG effektiv umzusetzen. Zumal durch das sukzessive Vorgehen zum Teil nicht einmal die technischen Anforderungen klar definiert sind, um eine einheitliche Datenbasis zu schaffen.

Selbst wenn ein Grundgerüst an digitalen Angeboten im Laufe des Jahres 2023 bundesweit stehen sollte, bedeutet das nicht, dass Bürgerinnen, Bürger und Unternehmen auch wirklich alle Vorteile eines sauber digitalisierten Prozesses nutzen können. Schließlich wird ein analoger Prozess nicht automatisch besser und effektiv, nur weil der Ablauf digitalisiert ist. Statt in den Genuss nahtloser Dienste zu kommen, werden sich Bürgerinnen und Bürger unter Umständen über ein auf halber Strecke digitalisiertes Stückwerk ärgern.

Mit welchen Maßnahmen also ließe sich das OZG doch noch effektiv umsetzen? Vielleicht sollte man für alle Leistungen, die nicht Teil des Booster-Pakets sind, einen Schritt zurückgehen und stattdessen zunächst die Register modernisieren. So ließen sich zumindest zentrale Verfahren so bereitstellen, dass sie behördenübergreifend und ohne Medienbruch online funktionieren. Eine modernisierte Registerlandschaft, die eng mit digitalen Verwaltungsleistungen verzahnt ist, kann weit mehr als den Datenaustausches auf eine neue Ebene heben. Möglicherweise lassen sich durch sie auch weitere, bislang ungeahnte Potentiale erschließen, damit Bürgerinnen, Bürger sowie Behörden Verwaltungsdienste noch leichter nutzen können.

www.ftapi.com


Autor: Ari Albertini

Ari Albertini ist Chief Operating Officer des Spezialisten für sichere Daten-Workflows FTAPI Software GmbH. Nach Stationen in der Wissenschaft und der Projektberatung ist er seit 2015 bei FTAPI. Als Wirtschaftsinformatiker (M.Sc.) und Alumnus der TU München verfügt er über mehr als 10 Jahre Erfahrung im Bereich der Strategieentwicklung, IT-Beratung, Software-Development sowie Produktkonzipierungen. Bei FTAPI kümmert er sich zudem um Themen wie agiles Arbeiten und Innovationen und ist regelmäßig als Autor von Fachbeiträgen sowie als Sprecher bei Branchen-Events tätig.