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Die KI-Fabriken der EU: Zwischen Forschung und kommerzieller Innovation

30. Oktober 2025

Ein aktueller Policy Brief untersucht das KI-Fabrikennetzwerk der Europäischen Union und analysiert dreizehn vor Oktober 2025 ausgewählte Standorte. Dabei stehen Umfang und Zugang zur Infrastruktur, die Zusammensetzung der Konsortien und die regionalen Innovationsökosysteme im Fokus.

Die Analyse zeigt eine inhärente Spannung: Die KI-Fabriken sind geeignet, mittelgroße KI-Modelle zu trainieren und die Forschung zu unterstützen, reichen aber nicht aus, um kommerzielle KI-Innovationen in großem Maßstab voranzutreiben. Die Partnerschaften bestehen überwiegend aus Forschungseinrichtungen; nur zwei der dreizehn Fabriken operieren ohne akademische Partner. Dies unterstützt öffentliche Forschung, könnte aber die Einführung von KI durch Start-ups und KMU behindern.

Die Fabriken geben vor, sich auf bestimmte Branchen zu konzentrieren, verfolgen jedoch meist einen generalistischen Ansatz. Neun der dreizehn untersuchten Fabriken decken mindestens fünf Sektoren ab. Einzige Ausnahme ist HammerHAI, das sich auf die Stärken der Stuttgarter Automobilindustrie konzentriert. Standort und Einbettung in bestehende KI-Ökosysteme sind entscheidend: Fabriken in Regionen mit großen Talentpools oder starken Innovationszentren nutzen vorhandene Ressourcen besser, während kleinere Regionen den Anschluss verlieren könnten.

Für zukünftige Gigafabriken, die viermal so viel Rechenleistung bieten, ist es besonders wichtig, die Bedürfnisse kommerzieller Nutzer zu berücksichtigen und die Standorte strategisch zu wählen. Nur so können sie eine Alternative zu privaten Recheninfrastrukturen bieten und die kommerzielle KI-Entwicklung in Europa stärken.

Anfang 2025 kündigte die EU an, die technologische Entwicklung zu fördern und global wettbewerbsfähig zu bleiben. KI-Fabriken und Gigafabriken erweitern die EU-eigene Recheninfrastruktur durch neue oder aufgerüstete Supercomputer. Unter dem Dach des European High Performance Computing Joint Undertaking (EuroHPC JU) entstehen Standorte von Barcelona bis Kajaani. Bis Ende 2025 sollen fünf Gigafabriken ausgewählt werden, die mit bis zu 100.000 KI-optimierten Chips die Ausbildung fortgeschrittener KI-Modelle ermöglichen.

Die EU investiert bereits rund 10 Milliarden Euro in KI-Fabriken und plant, ihre Rechenkapazitäten weiter auszubauen, um mit internationalen Projekten in den USA, Großbritannien und Singapur Schritt zu halten. Die Ziele: modernere europäische KI-Modelle, stärkere Zusammenarbeit im Bereich vertrauenswürdiger KI, höhere Akzeptanz in der Industrie und gerechterer Zugang zu Rechenleistung.

Der Policy Brief zeigt: KI-Fabriken sind ein Schritt in die richtige Richtung, ihre Wirkung auf kommerzielle Innovationen ist jedoch begrenzt. Künftige Investitionen und Standortentscheidungen müssen die Bedürfnisse der Industrie stärker berücksichtigen, um Europas KI-Ökosystem nachhaltig zu stärken.

interface hat Folgendes festgestellt:

  • Der Standort spielt eine Rolle. Fabriken, die sich in robusteren KI-Ökosystemen befinden, können möglicherweise auf größere Talentpools, Start-up-Netzwerke und kommerzielle Akteure zurückgreifen, um KI-Innovationen voranzutreiben, während aufstrebende Innovationsregionen möglicherweise mehr Anstrengungen unternehmen müssen, um Beziehungen zu Akteuren aus dem privaten Sektor aufzubauen.
  • Die Integration in das Ökosystem ist der Schlüssel zum kommerziellen Wachstum. Obwohl KI-Fabriken gut geeignet sind, um die Forschung im Bereich der Ausbildung mittelgroßer KI-Modelle zu unterstützen, reichen sie allein nicht aus, um kommerzielle KI-Innovationen in der gesamten EU in großem Maßstab voranzutreiben. Die meisten Fabriken werden von akademischen Einrichtungen geleitet, die eher auf Forschungsleistungen als auf kommerzielle Bedürfnisse ausgerichtet sind. Um Start-ups und KMU zu unterstützen, müssen sie sich bemühen, sich in diese Ökosysteme einzubringen, indem sie aktiv nach Partnern suchen und ihre Dienstleistungen maßschneidern.
  • Strategische Investitionen sind von entscheidender Bedeutung. Zukünftige Investitionen in Rechenkapazitäten wie die geplanten KI-Gigafabriken müssen sorgfältig geplant werden, wobei die Aufgaben und Ökosysteme zu berücksichtigen sind, denen die KI-Infrastruktur dienen soll. Dies könnte einen flexibleren Zugang für kommerzielle Akteure sowie Ausstiegsmöglichkeiten für private KI-Infrastrukturanbieter bedeuten.
EU-KI-Fabriken: Forschung vor kommerzieller Nutzung

Die EU setzt auf KI-Fabriken, um die Recheninfrastruktur für mittelgroße KI-Modelle auszubauen. Diese Supercomputer stammen meist aus bestehenden HPC-Anlagen, die unter dem EuroHPC JU zusammengeschlossen sind. Einige gehören zu den weltweit leistungsstärksten, etwa Jupiter in Jülich (Platz 4), LUMI in Kajaani (Platz 9) und Leonardo in Bologna (Platz 10). Trotz KI-optimierter Hardware reichen ihre Kapazitäten nicht an privat betriebene Supercomputer heran, die für groß angelegte kommerzielle Modelle genutzt werden.

Der Zugang zu KI-Fabriken erfolgt lokal oder remote und ist für Start-ups, KMU und Forscher meist kostenlos. Unterschiedliche Zugangsmodi ermöglichen kurzfristigen oder längerfristigen Zugriff, können aber nicht die Elastizität privater Cloud-Anbieter ersetzen. KI-Fabriken bieten vor allem öffentliche Rechenressourcen für Forschung, Prototyping und die Feinabstimmung von Modellen. Kommerzielle Nutzung bleibt eingeschränkt.

Die KI-Fabriken werden von vielfältigen Konsortien betrieben, meist bestehend aus Universitäten und Forschungseinrichtungen. Nur wenige haben private Partner, und kommerzielle Verbindungen bleiben begrenzt. Dies spiegelt ihre Rolle als Forschungsinfrastruktur wider, begrenzt jedoch die Skalierbarkeit kommerzieller Innovationen. Einige Fabriken bieten Schulungen, Networking oder Beratung, doch der Fokus liegt auf öffentlicher Forschung.

Standort und Einbettung in regionale Ökosysteme sind entscheidend. Fabriken in Innovationszentren wie Paris oder Stuttgart können Talente besser nutzen, während Regionen mit geringerem Know-how Schwierigkeiten haben könnten, kommerzielle Nutzer anzuziehen. Die meisten KI-Fabriken verfolgen einen generalistischen Ansatz, der mehrere Sektoren abdeckt; nur wenige wie HammerHAI in Stuttgart nutzen regionale Stärken, etwa den Automobilsektor.

Die Analyse zeigt: KI-Fabriken stärken vor allem die Forschung und den Zugang zu subventionierter Rechenleistung. Kommerzielle Innovationen bleiben weitgehend auf Prototypen oder Tests beschränkt. KI-Gigafabriken sollen größere Kapazitäten bieten, doch eine Lücke zwischen Forschung und großskaliger Anwendung bleibt. Für künftige Entscheidungen empfiehlt sich eine stärkere Ausrichtung auf regionale Industriebedarfe, die Einbindung privater Akteure und die Berücksichtigung der Ökosysteme, in denen die Infrastruktur steht.

Öffentlich geförderte Rechenzentren können Unternehmen beim Testen und Evaluieren von KI unterstützen, ersetzen aber private Investitionen oder Innovationen nicht. Die EU-KI-Fabriken sind ein wichtiger Schritt für Forschung und Entwicklung, bleiben aber nur ein Baustein im Aufbau einer konkurrenzfähigen europäischen KI-Landschaft.

Fazit

Die EU sieht in den KI-Fabriken ein zentrales Instrument zur Stärkung des europäischen KI-Innovationsökosystems. Blickt man jedoch über offizielle Ankündigungen hinaus, zeigt sich ein differenzierteres Bild: Öffentlich geförderte Recheninfrastrukturen bieten Potenzial für Forschung, stoßen aber bei groß angelegten kommerziellen Innovationen an Grenzen.

Regionen, die als Standorte ausgewählt werden wollen, setzen auf positive Effekte für ihr lokales Innovationssystem. Die begrenzten Rechenressourcen müssen jedoch zwischen Forschern, Start-ups, KMU und Industrie aufgeteilt werden, sodass wirtschaftliche und regionale Effekte eingeschränkt bleiben könnten.

Wie die KI-Fabriken die unterschiedlichen Bedürfnisse der Nutzer bedienen, bleibt offen. Auch die geplanten Gigafabriken bieten zwar mehr Kapazität, lösen das Problem kommerzieller Rechenbedarfe aber nicht vollständig.

Öffentlich geförderte Recheninfrastruktur ist ein wichtiger Schritt, reicht allein jedoch nicht aus. Für bahnbrechende Innovationen sind zusätzliche Investitionen in kommerzielle Anwendungen und ein stärkeres Einbinden bestehender Ökosysteme nötig. Nur so kann die EU die erwarteten Renditen aus ihren Investitionen realisieren.

Quelle der Grafiken: interface