
Das Gesundheitswesen zählt zweifellos zu den systemrelevanten Bereichen unserer Gesellschaft. Umso wichtiger ist ein zuverlässiger Schutz vor Cyber-Bedrohungen. Doch einfache Checklisten reichen heute nicht mehr aus, um digitale Risiken effektiv zu managen. Vielmehr braucht es ein tiefes Verständnis dafür, wie digitale Systeme im Gesundheitssektor miteinander vernetzt sind – und welche Schwachstellen dadurch entstehen können.
Elektronische Patientenakten, vernetzte Medizingeräte, Telemedizin-Plattformen und digitale Bezahlsysteme: Jeder dieser Berührungspunkte mit der digitalen Welt stellt ein potenzielles Einfallstor für Cyberangriffe dar. Dabei sind diese Risiken nicht isoliert zu betrachten. Vielmehr bilden sie ein komplexes Geflecht, in dem eine Schwachstelle in einem Bereich schnell zur Gefährdung des gesamten Systems führen kann.
Die Folgen sind gravierend: von der Beeinträchtigung der Patientenversorgung über den Verlust sensibler Daten bis hin zur Gefährdung von Menschenleben. Angesichts dieser Herausforderungen ist der Schutz vor Cyber-Risiken längst kein optionales Sicherheitsnetz mehr, sondern eine zentrale Voraussetzung für eine funktionierende Gesundheitsversorgung.
In diesem Beitrag werfen wir einen Blick auf die besonderen Herausforderungen des digitalen Wandels im Gesundheitswesen. Wir zeigen auf, warum Exposure Management – das systematische Erkennen, Bewerten und Minimieren von Risiken – ein entscheidender Faktor für nachhaltige Cybersicherheit ist. Und wir stellen Strategien vor, mit denen Gesundheitsorganisationen ihre digitalen Infrastrukturen widerstandsfähig und zukunftssicher gestalten können.
Die moderne Sicherheitslandschaft im Gesundheitswesen
Auch wenn das Thema Sicherheit alle Branchen betrifft, spielt das Gesundheitswesen, was die Komplexität und Masse der zu schützenden (und potenziell lebenswichtigen) Systeme angeht, in einer ganz eigenen Liga. Im Spannungsfeld zwischen der zwingend erforderlichen digitalen Transformation einerseits und bestehenden, strikten Compliance-Anforderungen andererseits müssen Organisationen sich gegen zahllose Angriffsmethoden wie Phishing-Attacken und Ransomware wehren. Dabei darf nicht vergessen werden, dass viele dieser Organisationen veraltete IT-Systeme mit etlichen offenen Schwachstellen nutzen – für Angreifer ein gefundenes Fressen. Vor allem aber ist der Wert der riesigen Datenmengen, die bei praktisch sämtlichen Akteuren im Gesundheitswesen erfasst und vorgehalten werden, kaum zu unterschätzen. Entsprechend attraktiv ist die Branche für Kriminelle, die die personenbezogenen Daten im Dark Web verkaufen wollen.
Warum klassisches Schwachstellen-Management an seine Grenzen stößt
Die Anforderungen an die Cybersicherheit im Gesundheitswesen steigen – und machen deutlich, dass herkömmliche Methoden des Schwachstellen-Managements nicht mehr ausreichen. Der klassische Ansatz, der sich auf sporadische Scans und oft ungenaue Erkennungsmethoden stützt, führt zunehmend zu Fehlalarmen und einem Verlust an Vertrauen in die Schutzmechanismen. Noch schwerer wiegt jedoch: Er ignoriert weitgehend den geschäftlichen Kontext, der notwendig ist, um Risiken realistisch einzuschätzen.
Ein zentrales Problem liegt in der Priorisierung von Schwachstellen. Die alleinige Bewertung nach Anzahl oder Schweregrad – wie sie etwa bei CVEs (Common Vulnerabilities and Exposures) üblich ist – sagt wenig darüber aus, wie wahrscheinlich eine tatsächliche Ausnutzung in einer bestimmten Umgebung ist. Ohne Kontextwissen darüber, welche Systeme betroffen sind, wie kritisch sie für den Betrieb sind und welche Abhängigkeiten bestehen, bleiben viele Entscheidungen reine Spekulation. Selbst gut aufgestellte IT-Teams geraten dadurch an ihre Grenzen: Die Auswahl, welche Systeme wann und warum gepatcht werden sollen, wird zur zeitaufwendigen Herausforderung – zumal komplexe Freigabeprozesse und fehlende Transparenz den Handlungsdruck weiter erhöhen.
Wie gravierend die Folgen sein können, zeigt der Fall bei der UnitedHealth-Tochter Change Healthcare. Die Ransomware-Gruppe AlphV verschaffte sich über kompromittierte Anmeldedaten und ein nicht abgesichertes Citrix-Portal Zugriff auf das Unternehmensnetzwerk. Ohne Multi-Faktor-Authentifizierung konnten sich die Angreifer ungehindert lateral im System bewegen, sensible Daten exfiltrieren und Ransomware platzieren. Das Resultat: Über 190 Millionen Datensätze wurden kompromittiert.
Der Vorfall macht deutlich: Einzelne Sicherheitslücken, die isoliert betrachtet als geringes Risiko erscheinen, können in Kombination mit anderen Schwachstellen verheerende Auswirkungen haben. Es braucht also ein Umdenken – weg vom statischen Schwachstellen-Management hin zu einem dynamischen, kontextbasierten Exposure Management, das Risiken im Zusammenspiel erkennt und bewertet.
6 Tipps zur Entwicklung für eine robuste Exposure-Management-Strategie
Der Aufbau eines starken Gefährdungsmanagements ist daher für ein funktionales, adaptives Sicherheitssystem absolut essenziell. Was also macht ein solches im Kern aus? Hier sind die zentralen Säulen für ein effektives Exposure Management:
- Die eigene Angriffsfläche kennen
Die Zeiten, in denen regelmäßige Schwachstellen-Scans des eigenen Netzwerks ausreichten, sind lange passé. Auch im Gesundheitswesen braucht es heute ein umfassendes Verständnis über die Beschaffenheit der Angriffsfläche – von IoT-basierten medizinischen Geräten bis zu cloudbasierten Telemedizin-Plattformen. Eine Analyse hybrider Angriffsvektoren mithilfe von Angriffsdiagrammen hilft, Schwachstellen nicht nur zu identifizieren, sondern auch festzustellen, wie diese ausgenutzt und miteinander kombiniert werden könnten, um geschäftskritische Anlagen zu erreichen. Eine nur scheinbar risikoarme Schwachstelle in einem Patientenportal könnte tatsächlich der entscheidende Türöffner hin zu kritischen Systemen sein. Mit einer Angriffspfad-Analyse finden Organisationen somit Schwachstellen und Gefährdungen, die ihnen bei konventionellen Scans entgehen würden.
- Intelligent Prioritäten setzen
Im Gegensatz zur Zahl möglicher Gefährdungen sind die Ressourcen, die Gesundheitsdienstleistern für deren Bekämpfung zur Verfügung stehen, begrenzt. Deshalb ist es wichtig, die richtigen Prioritäten zu setzen und genau zu ermitteln, welche Alarmmeldungen für die jeweilige Umgebung wirklich relevant sind. CVSS-Scores reichen dafür bei Weitem nicht aus – auf den geschäftlichen Kontext kommt es an. So haben Schwachstellen in Systemen zur Intensivpflege immer Vorrang vor denselben Gefährdungen in nicht kritischen Systemen.
Eine gute Prioritätensetzung hilft Sicherheitsteams, sich auf die wirklich wichtigen Dinge zu konzentrieren. Werden Faktoren wie die Kritikalität bestimmter Ressourcen, die Verbindung ans Internet und potenzielle Auswirkungen auf die Patientenversorgung berücksichtigt, können die Organisationen auch die Ressourcen zur Schwachstellenbekämpfung besser einsetzen.
- Ein angemessenes Konfigurationsmanagement
IT-Umgebungen im Gesundheitswesen sind anfälliger für Konfigurationsfehler als in anderen Branchen. Das liegt nicht zuletzt an der häufig wilden Zusammenstellung von Altsystemen, modernen Cloud-Anwendungen und spezialisierten medizinischen Geräten. Hier einige Beispiele für häufige Probleme:
- Unsachgemäße Netzsegmentierung zwischen klinischen und administrativen Systemen
- Unverändert gelassene Standard-Anmeldeinformationen für medizinische Geräte
- Unangemessen umfangreiche Nutzerberechtigungen in Cloud-Umgebungen
- Falsch konfigurierte Lösungen für Remote-Zugriff
Eine manuelle Anpassung aller Prozesse ist angesichts der rasanten Veränderungen in heutigen IT-Umgebungen im Gesundheitswesen praktisch nicht mehr möglich. Die automatische Erkennung und Korrektur von Fehlkonfigurationen werden damit unverzichtbar.
- Echtzeit-Management der Sicherheitslage
Die Verfügbarkeit bestimmter Systeme ist im Gesundheitswesen buchstäblich lebenswichtig. Deshalb ist auch eine effektive Sicherheitsüberwachung in Echtzeit kein nettes Extra – sondern unerlässlich. Folgende Aspekte müssen sichergestellt sein:
- Fortlaufendes Monitoring aller Anlagen, von MRTs bis zu mobilen Geräten
- Sofortige Erkennung von nicht autorisierten Änderungen oder verdächtigem Verhalten
- Automatisierte Response-Mechanismen für bekannte Bedrohungen
- Regelmäßige Tests der Sicherungs- und Wiederherstellungsverfahren
- Fortlaufende Risikominderung
Die Komplexität der Netzwerke im Gesundheitswesen nimmt stetig zu. Lokale Systeme, Cloud-Infrastrukturen und SaaS-Anwendungen arbeiten Hand in Hand. Ein strategisch weitgespanntes Gefährdungsmanagement berücksichtigt das und ermöglicht ein nahtloses Sicherheitskonzept für solche hybriden IT-Landschaften, unabhängig vom tatsächlichen Standort einzelner Systeme. Damit das gesamte IT-Ökosystem als zusammenhängende Einheit geschützt ist, braucht es Kontroll- und Überwachungsfunktionen, die sich an unterschiedliche Umgebungen anpassen und gleichzeitig ein einheitliches Schutzniveau aufrechterhalten können.
- In Compliance investieren
Das Thema Compliance ist im stark regulierten Gesundheitssektor nicht bloß ein Lippenbekenntnis – sondern absolut grundlegend für einen funktionierenden Geschäftsbetrieb. Ein effektives Gefährdungsmanagement umfasst deshalb immer auch Funktionen für ein automatisiertes Reporting und fortlaufendes Monitoring, die sich an Rahmenwerken wie ISO 27001, NIS2 oder den Standards des HIPAA orientieren. Dieser proaktive Ansatz hilft Organisationen, aktuelle regulatorische Anforderungen und neue Compliance-Mandate besser zu erfüllen und sicherzustellen, dass gesetzliche und branchenspezifische Standards jederzeit eingehalten werden.
Fazit: Das digitale Immunsystem des Gesundheitswesens stärken
Die Diagnose ist eindeutig – und der Therapieweg liegt auf der Hand: Das Gesundheitswesen braucht ganzheitliche Exposure-Management-Strategien. Angesichts der fortschreitenden Digitalisierung kann es sich keine Organisation mehr leisten, Cyberrisiken isoliert zu betrachten oder zu unterschätzen.
Denn Cybersicherheit ist längst kein rein technisches Thema mehr. Sie ist eine Grundvoraussetzung für eine funktionierende, verlässliche und vertrauenswürdige Gesundheitsversorgung. Wer Schwachstellen frühzeitig erkennt, ihr Zusammenspiel versteht und konsequent handelt, schützt nicht nur Daten und Systeme – sondern auch Patienten.
Weitere Informationen:
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