»Mit ATLAS-L4 wird bald erstmals ein autonom fahrender Truck auf einer Autobahn in Deutschland unterwegs sein«, nennt Dr. Frederik Zohm, Vorstand für Forschung und Entwicklung bei MAN Truck & Bus, das gemeinsame Ziel der zwölf Projektpartner von ATLAS-L4. »So wollen wir zur Hub-to-Hub-Automatisierung, also zum fahrerlosen Pendeln zwischen Logistikhöfen, und damit zu mehr Sicherheit, mehr Effizienz und weniger Staus auf den Straßen beitragen – auch dem Fahrermangel kann mit Automatisierungskonzepten begegnet werden.«
Was wurde seit Projektstart erreicht?
Die bisherigen Arbeitsergebnisse präsentierten die Partner gemeinsam im Rahmen einer Projektveranstaltung am 24. Oktober in München.
So hat MAN Truck & Bus in seiner Projektverantwortlichkeit für die Gesamtsystementwicklung mittlerweile ein Prototypenfahrzeug aufgebaut. Es zeichnet sich durch Sensoren auf dem Dach, an der Front und an den Seiten der Fahrerkabine aus sowie durch verbaute Rechner im Innern. Im ersten Schritt dient es als Sensorfahrzeug zur Sammlung von Daten, bevor mit ihm die Funktionsentwicklung für das autonome Fahren unter anderem mit ersten Testfahrten auf der Autobahn mit Sicherheitsfahrer beginnt. Die ersten Kilometer hat das Fahrzeug bereits auf dem Münchner Testgelände von MAN erfolgreich zurückgelegt. Funktionalitäten und Schnittstellen standen dabei auf dem Prüfstand: Erstmals haben die Komponenten miteinander kommuniziert und erstmals haben die Sensoren eine realitätsgetreue Umfelderkennung vorgenommen.
Und auch die für die Level-4-Architektur sicherheitsrelevanten Subsysteme Bordnetz, Lenkung und redundantes Bremssystem sind konzeptioniert und bereits in ersten Musterständen erfolgreich erprobt.
Ein weiterer Meilenstein, an den das Projektteam bereits einen Haken setzen konnte: Das Control Center für die technische Aufsicht wurde im September erfolgreich in Betrieb genommen und die Verbindung zum Fahrzeug installiert. Das Web-Interface stellt nun das Fahrzeug auf einer Karte mit allen relevanten Informationen wie Geschwindigkeit und Automatisierungsstatus dar.
Des Weiteren haben MAN und das Fraunhofer-Institut für Angewandte und Integrierte Sicherheit AISEC die projektbegleitende Risikoanalyse für das Fahrzeug erfolgreich durchgeführt. Auf dieser Grundlage wurden Cybersicherheitsmaßnahmen wie authentische und verschlüsselte Kommunikation sowie funktionale Sicherheitsmaßnahmen wie Redundanzen und Degradationskonzepte für das autonome Fahrsystem definiert. Dabei werden umfangreiche Angriffs- und Ausfallszenarien durchgespielt und entsprechende Schutzkonzepte entwickelt.
Die nächsten Schritte
Der nächste große Meilenstein ist die Premiere im öffentlichen Straßenverkehr: Voraussichtlich noch in diesem Jahr soll es für das Testfahrzeug zu ersten Fahrten auf die Autobahn gehen – natürlich ebenfalls mit einem Sicherheitsfahrer an Bord.
Alle Meilensteine tragen zum langfristigen Ziel von ATLAS-L4 bei: der Beweis, dass der Einsatz von Level-4-automatisierten und damit von fahrerlosen Fahrzeugen auf der Autobahn machbar ist. Das ist der Grundstein für künftige Serienanwendungen für eine Logistik 4.0 – ermöglicht durch das Netzwerk, das das starke Konsortium von ATLAS-L4 bietet. Das Projekt läuft bis Dezember 2024. Am Ende soll ein industrietaugliches Konzept für den Betrieb automatisierter Lkw auf der Autobahn vorliegen.
Breit gefächerte Kompetenz
Der Nutzfahrzeughersteller MAN Truck & Bus ist im Projekt verantwortlich für die Gesamtsystementwicklung und die Integration aller Komponenten in das Fahrzeug. Auch die Datenübertragung zum Fahrzeug und die Inbetriebnahme des Control Centers, das die Testfahrten im Sinne der im Gesetz zum autonomen Fahren vorgesehenen technischen Aufsicht überwachen wird, liegen in der Verantwortung von MAN.
Das Fraunhofer AISEC erweitert im Projekt erstmalig seine Methoden für Security-Risikoanalysen auf automatisierte Lkw und forscht an Lösungen für ein holistisches Security-Management. Auf dieser Grundlage werden Security-Risikoanalysen sowie Schutzkonzepte für die Lkw und ihr Ökosystem entwickelt.
Knorr-Bremse, Weltmarktführer für Bremssysteme, entwickelt die spezielle, redundant ausgelegte Bremssystemarchitektur, die den sicheren Betrieb eines Level-4-Lkw in jeder Situation ermöglicht.
Der Projektpartner Leoni stellt sicher, dass ebenso das Bordnetz und die elektronische Leitungsverteilung des Automatisierungssystems unabhängig von möglicherweise auftretenden Fehlern immer zuverlässig funktionieren.
Die Robert Bosch Automotive Steering GmbH entwickelt ein fehlertolerantes Lenksystem für ATLAS-L4, das alle Anforderungen für die SAE-Level-4-Automatisierung erfüllt.
Das Münchner Startup Fernride GmbH untersucht die Möglichkeiten von Teleoperation im vom Projekt adressierten Hub-to-Hub-Szenario. Mit Fernrides Teleoperations-Plattform können autonome Fahrzeuge überwacht und bei Bedarf ferngesteuert werden.
Der Test-Tool-Hersteller BTC Embedded Systems AG widmet sich szenarienbasierten und simulativen Testansätzen zur Gesamtfahrzeugverifikation und Sicherheitsvalidierung unter besonderer Berücksichtigung von kritischen Fahrsituationen.
Das Institut für Regelungstechnik der TU Braunschweig erarbeitet unter anderem Konzepte für den sicheren Betrieb von Level-4-Lkw sowie für die technische Self-Awareness von automatisierten Fahrzeugen.
Der Lehrstuhl für Fahrzeugtechnik der TU München steuert seine Expertise hinsichtlich verschiedener Fahrdynamikaspekte bei und erarbeitet Interaktionskonzepte für die technische Aufsicht.
TÜV SÜD bringt bei den Projekttestfahrten seine umfassende Erfahrung mit Testumgebungen für automatisierte Fahrzeuge ein, testet dabei die Fähigkeiten der Fahrzeuge selbst sowie die Validität der Simulation und bewertet im Rahmen des Freigabeprozesses die Sicherheit der Fahrzeuge.
Mit dem Gesetz zum autonomen Fahren fällt die Genehmigung von Betriebsbereichen auf Autobahnen in die Zuständigkeit der Autobahn GmbH. Im Rahmen des Projekts entwickelt sie ein digitales Managementsystem für die Betriebsbereichsgenehmigung und bringt ihre langjährige Expertise im Bereich des kooperativen und vernetzten Fahrens in das Projekt ein.
Die WIVW GmbH baut einen Teleoperator-Arbeitsplatz auf, der durch die Kopplung mit der Fahrsimulation die Steuerung eines virtuellen Lkw erlaubt. Die erarbeiteten Anforderungen an einen Teleoperator-Arbeitsplatz können so in ein konkretes Konzept umgesetzt, implementiert, visualisiert und evaluiert werden.
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